Bettler 03 - Bettlers Ritt
eigenes Leid zu erleben und daraus zu lernen! Vielleicht hätten Sie uns die Spritzen überhaupt nicht geben sollen. Aber Sie haben es getan, und jetzt können die Nutzer ohne sie nicht mehr überleben, weil wir Macher, die über alle Ressourcen verfügen, diese armen Leute fallengelassen haben. Also müssen Sie uns neue Umstellungs -Spritzen geben, damit diese Kinder lang genug leben, um das zu suchen, was wirklich von Bedeutung ist!
Aber noch etwas stimmt nicht. In New York – im Staat New York, nicht in der Stadt – gibt es ein Lager von Nutzern, die eine neue Art von Umstellungs -Spritzen haben. Rote. Die wirken so, daß sie durch Pheromone oder irgendwas anderes zu Dreiergruppen verbunden werden. Und wenn sich die drei weiter als eine bestimmte zulässige Distanz voneinander entfernen, dann sterben sie. Sie sterben wirklich! Die Spritzen kamen mit einer Holopatrone, in der Sie auftreten und erklären, daß diese Spritzen ein neues Geschenk von Miranda Sharifi seien. Die Nutzer glauben das. Bloß stimmt es nicht. Das Holo ist eine Fälschung, und die neuen Spritzen machen es den Leuten noch schwerer, ihr eigenes individuelles Leid zu spüren und einander zu erkennen. Die drei Personen werden durch diese Bindung zu einem einzigen Klecks, das sind keine Einzelpersonen mehr; sie haben zwar den Trost, sich nie mehr allein zu fühlen, aber wenn sie sich nicht mehr allein fühlen können, wie sollen sie je ihr eigenes Leid spüren und hindurchgehen…«
»Was für neue Spritzen?« fragte Richard Sharifi.
Theresa blinzelte. Das Bild auf der schimmernden blauen Wand war keine Aufzeichnung! Richard Sharifis traurige dunkle Augen starrten Theresa an und warteten auf eine Antwort.
»Die… die neuen Spritzen, die jemand in dem… dem Lager in den Bergen von New York zurückgelassen hat, auf… auf…« Sie erinnerte sich nicht an die Koordinaten. »Rote Spritzen, und da war ein Holo von Miranda, bloß war das nicht Miranda…«
Richard Sharifi runzelte die Stirn, drehte sich um und sagte: »Nein…« Sein riesiges Bild schrumpfte abrupt, bis Theresa auf einen Schirm blickte, der nur mehr etwa handtellergroß war. Auf dem Schirm machte Richard Sharifi einer Frau Platz, deren wildes schwarzes Haar von einem roten Band gebändigt wurde.
»Theresa. Hier spricht Miranda Sharifi.«
Theresa schnappte nach Luft. »Sind Sie… Sprechen Sie von Selene aus?«
»Bitte erzählen Sie mir alles, was Sie über diese neue Spritze und die Holopatrone wissen, die Sie bei dem Nutzer-Stamm gesehen haben. Erzählen Sie von Anfang an, sprechen Sie langsam und lassen Sie nichts aus. Es ist sehr wichtig.«
Ein zweiter handtellergroßer Bildschirm erschien – wieder Richard Sharifi, diesmal mit äußerst finsterem Gesicht. Er sagte: »Ich setze Sie davon in Kenntnis, daß wir Sie, Ihr Flugzeug und die ganze Umgebung nach Aufzeichnungsgeräten abgetastet haben. Ihre Pilotin sieht nicht her, doch wäre in jedem Fall dieser Schirm auch für die stärkste Zoomlinse zu klein, um auf diese Entfernung etwas darauf zu erkennen. Sollten Sie je erwähnen, daß dieses Gespräch stattgefunden hat, dann sind die Chancen, daß man Ihnen Glauben schenkt, äußerst gering. Ihre Krankengeschichte weist darauf hin…«
»Unnötig, Papa«, sagte Miranda, und nun machte sie auch ein finsteres Gesicht. Das winzige Bild von Richard Sharifi verschwand.
»Sie sind ja gar nicht auf Selene, nicht wahr?« platzte Theresa hervor. »Sie sind hier…«
»Erzählen Sie mir alles über die neuen Spritzen, Theresa. Fangen Sie damit an, wie Sie überhaupt in dieses Nutzer-Lager kamen. Nein, keine Panik! Ich kann Ihnen keine Hilfe hinausschicken. Atmen Sie tief und ruhig und sehen Sie diesen Bildschirm an, Theresa, sehen Sie den Schirm an…!«
Sie gehorchte und rang nach Luft, während Wogen panischer Schwärze über sie hinwegrollten. Rund um Miranda bemerkte sie ein schwaches Schimmern von Formen und Farben – was war das? Sie fühlte sich plötzlich ein wenig ruhiger… Unterschwellige Befehle?
Theresa atmete tief ein. »Das… das ist wie in einer Drew-Arlen-Vorstellung!«
Ein schmerzlicher Ausdruck, kompliziert und in die Tiefe gehend, huschte über Mirandas Gesicht. »Erzählen Sie mir von den neuen Spritzen.«
Theresa fing an, und je länger sie sprach, desto ruhiger wurde sie. Miranda hörte zu ohne einen einzigen Wimpernschlag. Ihre Augen waren so dunkel wie die ihres Vaters. Dunkler als Cazies Augen… Aber Theresa gab ja nicht vor, Cazie zu sein. Sie
Weitere Kostenlose Bücher