Bettler 03 - Bettlers Ritt
sorgfältig dahingehend abgestimmt, daß die Aufmerksamkeit der Wissenschaftsgemeinde und des Militärs so lange wie möglich vermieden wurde. Das wird in Zukunft nicht mehr unserer Kontrolle unterliegen.«
»Das ist auch jetzt nicht mehr der Fall«, sagte Jennifer. »Kelvin-Castner-Pharmazeutik ist zufällig über ein Nutzer-Testgebiet gestolpert. Das wiederum wissen Sie am besten.«
»Richtig. Aber sie schalten weder die Gesundheitsbehörde ein, noch Brookhaven. Zumindest noch nicht. Zum zweiten: in dem Moment, in dem ein Virus außerhalb des Körpers überleben kann, können Leute wie Kelvin-Castner die Originalproteine studieren und nicht nur die sekundären Effekte auf das Gehirn. Damit würden sie einen großen Sprung vorwärts Richtung Impfstoff tun. Oder sogar Richtung Umkehrung der Auswirkungen.«
»Aber Sie sagten doch, das würde äußerst schwierig sein, auch nachdem das Virus auf direktem Weg übertragbar gemacht wurde…«
»O ja, das wird es auch! Aber wir wollen den Schläfern auch nicht die geringste Chance einräumen, oder? Drittens, wenn das Virus mit einer 38,72prozentigen Wahrscheinlichkeit auf solche Art mutieren kann und ich nur durch Zufall auf diesen Umstand gestoßen bin… was könnte es sonst noch anstellen? Und weiß Strukow Bescheid?«
»Sagen Sie ihm nichts!« antwortete Jennifer rasch. »Und fragen Sie ihn nicht danach. Wir würden nicht wissen, ob er die Wahrheit sagt.«
Chad nickte.
Nachdenklich blickte Jennifer durch die glasklare Platte zu ihren Füßen. Sterne, kalt und fern und scharf umrissen – doch aus der Nähe betrachtet, fand sie, waren es äußerst unordentliche Anhäufungen brutaler Kollisionen.
»Ich möchte, daß der Rest des Teams von all dem in Kenntnis gesetzt wird, Chad. Obwohl es selbstverständlich richtig war, mich zuerst zu informieren und die Simulationen zu löschen.« Auch Sanctuary hatte seine hochtalentierten Datenfischer im Teenageralter, und für gewöhnlich fand Jennifer das sehr erfreulich; es war immerhin die nächste Generation der Systementwickler, und je raffinierter ihre Techniken, umso besser. Doch diesmal nicht. »Wir müssen einen neuen Zeitplan für die Freisetzungen erarbeiten. Es muß schneller gehen.«
»Werden die Peruaner in der Lage sein, die Herstellung der Hardware zu beschleunigen?«
»Das ist die wahre Schwierigkeit. Ich weiß es nicht.« Strukow, dessen war Jennifer ganz sicher, konnte von seiner Seite aus mit jeglicher Verschiebung in der Planung fertigwerden. »Ich lasse Robert und Khalid daran arbeiten.«
»Gut.« Jennifer merkte, daß Chad sich etwas beruhigt hatte. Ihre Gelassenheit hatte ihn angesteckt. Was durchaus in ihrer Absicht lag.
Er hielt ihr die Tür des Konferenzraums auf, aber Jennifer schüttelte den Kopf. »Ich bleibe noch ein wenig.«
Chad nickte und schloß die Tür hinter sich.
Jennifer starrte durch das Fenster im Boden. Die Erde glitt in Sicht. Wolken über dem Pazifik. So schön. So trügerisch, so moralisch krank. Aber so schön.
Plötzlich überkam sie der Wunsch, Tony Indivinos Grab in den Allegheny Mountains im Staat New York wiederzusehen. Tony Indivino, den sie geliebt hatte, als sie jung war, so, wie sie seither nie mehr geliebt hatte. Tony, getötet von den Schläfern, doch erst, nachdem er Sanctuary ersonnen hatte, den sicheren Zufluchtsort für sie alle…
Jennifer löschte den Gedanken. Tony war tot. Was tot war, existierte nicht mehr. Was nicht mehr existierte, dem durfte nicht gestattet werden, das Lebende zu kontrollieren – auch nicht vorübergehend. Das zu gestatten hieße, Rührseligkeit und fruchtlose Sentimentalität zu riskieren.
Tony war tot. Niemand, der tot war, hatte für Jennifer noch Bedeutung.
Niemand.
»Ich denke, du solltest die Berichte lesen«, meinte Will. »Wenigstens einmal.«
»Nein«, sagte Jennifer. In ihrem gemeinsamen Bett rückte sie ein wenig ab von seinem Körper. »Und ich habe dich gebeten, das Thema nicht mehr anzuschneiden.«
»Ich weiß, worum du gebeten hast«, sagte Will mit ausdrucksloser Stimme.
»Dann halte dich bitte daran.«
Will stützte sich auf einen Ellbogen und sah sie an. »Du leitest das Neuropharm-Projekt, Jennifer. Das heißt, daß du über alle Faktoren Bescheid wissen solltest. Die Nachwirkungen von La Solana sind ein Faktor. Wie erwartet hat das FBI-CIA-Team festgestellt, daß die Bombe auf einer Flugbahn von der Abschußstelle in den Rocky Mountains kam. Sie analysieren jedes Molekül dort oben. Du solltest
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