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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Personenschild, den ihr Vicki dagelassen hatte.
    »Na gut«, sagte Billy. Sein Atem normalisierte sich langsam. Er hatte sich immer auf ihr Wort verlassen können. Ein paar Minuten später war er wieder vollauf mit seiner Angel beschäftigt.
    Lizzie sah ihn an. Seine dunklen Augen blickten hellwach aus dem eingefallenen Gesicht und beobachteten das Wasser. Er hatte die Kappe abgenommen, damit sein nunmehr fast kahler Kopf mit den grauen Löckchen hinter den Ohren die sanften Sonnenstrahlen besser aufnehmen konnte. Die Kappe hing an einem Ast. Jeden Tag um diese Zeit mußte er zu dem Entschluß kommen, die Kappe aufzulassen oder sie abzunehmen. Jeden Tag mußte er den Plastikeimer für die Fische auf exakt denselben Platz ins Gras stellen. Jeden Tag mußte er die gleiche Anzahl von Würmern ausgraben und den Haken methodisch auf die gleiche Art damit bestücken, bis alle Würmer verbraucht waren. Jeden Tag.
    Was bezweckte Jennifer Sharifi eigentlich?!
    Lizzie hatte keine Ahnung. Sie konnte besser Daten fischen als alle anderen Menschen im Land, aber Jennifer Sharifi war eine Schlaflose. Keine Super wie Miranda, aber dennoch eine Schlaflose. Und sie hatte alles Geld der Welt. Sie veränderte die Menschen, die Lizzie liebte, nagelte sie fest auf einen Ort und einen Trott wie programmierte Roboter. Lizzie war nicht so dumm zu glauben, sie könnte ergründen, weshalb, oder was man dagegen unternehmen konnte. Jennifer Sharifi hatte einst den Versuch gemacht, die Vereinigten Staaten zu zwingen, Sanctuary freizugeben, indem sie fünf Städte auf Terroristenart mit einem Virus bedrohte, das alles Leben in diesen Städten hätte auslöschen können. Dafür hatte Jennifer weit mehr Jahre im Gefängnis verbracht als Lizzie auf dieser Welt. Lizzie wußte, wann sie am Ende ihrer Weisheit war. Sie brauchte Hilfe.
    Es war beinahe eine Erleichterung, als sie es sich endlich eingestand. Beinahe.
     
    Sie machte sich noch in derselben Nacht auf den Weg den Berg hinab, wobei sie einen weiten Bogen um den verborgenen Sender schlug. Sie hielt sich von den alten, ramponierten Straßen fern – denn dort vermutete Sanctuary wahrscheinlich doch gelegentliche Wanderer, oder? Und dorthin würden sie ihre Sensoren richten…
    In der Dunkelheit immer in Sichtweite des Baches durch den Wald zu marschieren, war nicht leicht. Lizzie hatte ihr Terminal im Rucksack und kam nur langsam voran. Hätte der Vollmond nicht so hell geschienen, wäre Lizzies Vorhaben überhaupt nicht zu schaffen gewesen, doch so kämpfte sie sich stolpernd durchs Unterholz und bemühte sich, unter den Bäumen zu bleiben, nur für den Fall, daß Sanctuary hoch auflösende Satellitenkameras verwendete.
    Später dann würde sie Vickis Personenschild aktivieren und sich in den durchsichtigen Schutzschild aus Energie hüllen lassen, der sie davor bewahrte, von Dornen zerkratzt, von Insekten gestochen und von jeglichem Geräusch im Gebüsch zu Tode geängstigt zu werden. Doch jetzt noch nicht. Erst wenn sie weiter weg war vom Lager. Personenschilde erzeugten ein feststellbares Feld.
    Aber Sanctuary konnte ja nicht den ganzen Staat überwachen, oder?
    Am Morgen hatte Lizzie die Stelle erreicht, wo der Bach in den Fluß mündete. Sie war erschöpft. Sie kroch unter einen vom Wind umgewehten Busch, dessen Blattwerk sie nach oben schützte und doch die schrägen Strahlen der Morgensonne einließ. Dort entledigte sie sich ihrer Kleider und legte sich zur Nahrungsaufnahme hin, ehe sie dankbar den Personenschild anstellte und bis zum Abend schlief.
    Als sie in der Dämmerung erwachte, war sie nicht mehr allein. Es war fast Sommer, und Nutzer-Stämme, die den Winter im warmen Süden verbracht hatten, zogen jetzt allenthalben wieder zurück in den Norden. Dieser Stamm hier schien klein zu sein und familiär; Lizzie hörte Babygeschrei. Umgestellt oder nicht umgestellt? Sie verließ ihr Versteck nicht, um das herauszufinden. Die größte Gefahr drohte ihr weder von Hunger, noch von Krankheit oder Unfällen, sondern von ihresgleichen. Nicht alle Stämme waren klein oder familiär.
    Nachts machte sie sich wieder auf den Weg. Jetzt, mit dem Personenschild, war alles viel einfacher. Billy hatte ihr eine Menge beigebracht, wenn es darum ging, sich im Wald – oder außerhalb – unauffällig fortzubewegen, und das würde ihr auch Hilfe sein.
    Über Manhattan-Ost würde sie sich erst Gedanken machen, wenn sie dort war.

 
    INTERMEZZO
     
     
     
    SENDEDATUM: 20. April 2121
    GEHT AN: Mondbasis

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