Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Schutzbedürfnis. Jedenfalls waren sie beisammengeblieben und hatten sich versteckt und dann ihr ganzes technisches Wissen darauf verwendet, die Welt glauben zu machen, daß sie sich anderswo versteckten – offenbar als weitere Schutzmaßnahme.
    Und wenn es stimmte, was Theresa behauptete, dann hatte nichts davon geholfen. Sie waren den Hassern dennoch nicht entkommen.
    Die Baumwipfel unten tanzten in einer plötzlichen Brise. Am äußersten Rand der Terrasse, wo er stand, konnte Jackson die Blätter rascheln hören und ihre kühle Feuchtigkeit riechen. Im Südosten, direkt unter dem Mond, stand ein heller Planet am Himmel. Vermutlich Jupiter. Oder ein Holo von Jupiter, einstimmig beschlossen vom Wetterkomitee der Enklave. Wie wär’s, wenn wir in diesem Monat der Kuppelprogrammierung einen Planeten hinzufügen? Die Kinder können lernen, die Himmelskunde-Software zu benutzen!
    Jackson sah wieder die Ausdrucke der nicht umgestellten Nutzer-Kinder an der Wand von Theresas Arbeitszimmer vor sich. Wie sie aufgedunsen und in Fäulnis dahinstarben – mangels Hygiene, die kein Mensch mehr für nötig hielt, mangels Umstellungs- Spritzen oder mangels medizinischer Betreuung.
    Und jetzt würde es nie mehr weitere Umstellungs- Spritzen geben. Die Menschen würden – einzeln oder in Gruppen oder in Gestalt ganzer Regierungen – endlose Botschaften oder sogar Expeditionen nach Selene schicken, und es würde nichts nützen. Wenn die SuperS nicht irgendwo ein riesiges Vorratslager an Spritzen für eine posthume Entdeckung zurückgelassen hatten, dann würde es für die soeben geborene Generation keine Umstellung mehr geben. Und für die nächste. Und die übernächste. Nicht einmal für Macher-Kinder mit Himmelskunde-Software. Die Nanotechnik dahinter ging einfach über jegliches Begriffsvermögen der normalen Menschheit hinaus – selbst über das einer GenMod-Menschheit. Man konnte nicht an die industrielle Revolution herangehen, wenn man gerade erst das Rad erfunden hatte.
    Jackson stützte die Hände auf das Terrassengeländer und beugte sich vor. Von der Straße vier Stockwerke weiter unten stieg das leise Lachen einer Frau herauf, gefolgt vom weichen Tenor eines Mannes. Jackson sah keinen von beiden. Die Luft roch nach Minze und frisch gemähtem Gras und Rosen.
    Paradies hatte Theresa einst, in ihrer religiösen Phase, den Central Park genannt. Da war sie zwölf gewesen und wollte Nonne werden.
    Paradies. Für wie lange?
    Wahrscheinlich gab es da und dort noch gehortete Spritzen, in den Familien, in den Enklaven – eine, zwei hier, ein paar weitere dort. Damit konnte man die Neugeborenen umstellen, – heimlich, noch bevor ein Außenseiter erfuhr, daß die Spritzen existierten, und sie stehlen konnte. Doch sobald die gehorteten Spritzen verbraucht waren, würde die Geburtenrate noch weiter als bisher fallen, wenn potentielle Eltern es sich aus der Sicherheit ihrer umgestellten Existenz heraus zweimal überlegten, Kinder in die Welt zu setzen, die ungewohnte Nahrungsbedürfnisse hatten und krank werden konnten. Schließlich und endlich würden die Menschen ihre Kinder dennoch bekommen – das taten Menschen wohl immer. Dann würde die Medizin aus ihrem Koma der fieberhaften Lustdrogenforschung zu neuem Leben erwachen, und die Macher würden wie immer zurechtkommen hinter ihren Y-Schilden, die mit jedem Jahr vergrößert werden müßten – in dem Ausmaß, als das Bedürfnis nach Ackerland, nach Molkereien, nach SoySynth-Fabriken wuchs. Und die Schilde mußten noch widerstandsfähiger werden. Aber die Enklaven würden sich anpassen. Sie verfügten über alle Techniken dafür. Dort würde es keine Vertreibung aus dem Paradies geben.
    Und die Nutzer? Die Frage, was dort geschehen würde, stellte sich gar nicht – es geschah bereits. Hunger, Krankheit, Krieg, Tod. Und schließlich würden sie wieder die grundlegenden Fähigkeiten zum Überleben erlernen. Oder auch nicht, falls sich das Neuropharm ausbreitete, das die Akzeptanz von Neuartigem, Fremden, verhinderte. Dann würden sie einfach an ihren alten Gewohnheiten festhalten, die auf umgestellte Organismen ausgerichtet waren, über die die neue Generation nicht verfügte. Und die Macher, immer noch verbittert über die Umstellungs -Kriege und sich der Tatsache nur allzu bewußt, daß die Nutzer bereits seit mindestens drei Generationen keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeit mehr darstellten, würden gar nichts tun.
    Genozid durch allgemeine Untätigkeit. Der Herr hilft

Weitere Kostenlose Bücher