Bettler 03 - Bettlers Ritt
bekam!« rief Vicki.
Wenn Theresa starb, würde der kleine Junge mit der rinnenden Nase auch sterben. Du kannst mich nicht aufhalten, Jackson, stritt sie mit seiner nicht vorhandenen Person an ihrem Bett, du kannst es nicht! Ich kann ihnen beibringen, wie man es macht… Siehst du es denn nicht ein? Es ist eine Gabe! Es war immer schon meine einzige Gabe! Zu brauchen und gebraucht zu werden! Du brauchtest mich, damit du auch für mich sorgen konntest!
Vicki stand neben ihr und hielt etwas in der Hand. Sie hatte aufgehört herumzuschreien. Eigentlich konnte Theresa kaum verstehen, was sie sagte, denn Vickis Stimme kam aus weiter Ferne – aber sie klang immer noch wie Cazie. »Der Code war sein Hochzeitstag, was für eine verdammte Hartnäckigkeit! Der Tag seiner Hochzeit mit diesem narzißtischen Gnom! Theresa, hören Sie mir zu.«
Das, was Vicki in der Hand hielt, war eine Umstellungs -Spritze.
»Hören Sie, Tess. Jackson sagte mir, daß er dies hier für Sie in seinem Safe aufbewahrte. Für den Tag, wenn Sie Ihre Meinung ändern und sich doch noch zur Umstellung entschließen sollten. Sie haben von diesem Kind im Nutzer-Lager irgendeine Krankheit mitgebracht; es muß sich um ein rasch mutierendes Virus handeln – es kommen jetzt, wo die Wirtspopulationen ohne Impfung sind, alle möglichen Erreger aus den Wäldern. Tess, ich habe Ihnen schon Antivirale aus Jacksons Medikamentenschrank gegeben, aber es sieht nicht so aus, als würden sie wirken. Ich weiß nicht weiter, der PflegeRob ist weg, und Jackson kann ich nicht erreichen. Es geht nicht anders, es bleibt wirklich nur die Umstellungs -Spritze…«
Theresa schüttelte den Kopf. Tränen brannten in ihren Augen.
»Tessie, früher oder später würden Sie sie ohnehin brauchen, wegen der enormen Strahlung, die Sie in New Mexico abbekommen haben. Die Krebshäufigkeit… Ich werde Ihnen jetzt die Spritze geben, Theresa, ich muß es tun.«
»G-G-G…« Sie konnte das Wort nicht hervorbringen. Gabe. Ihre Gabe. Die verloren sein würde, wenn sie umgestellt war, und man mußte kämpfen, wenn man seine Seele retten wollte… alle sagten das, all die großen historischen Persönlichkeiten, die Thomas für sie zitierte…
»Tut mir leid, Tess.« Vicki ergriff Theresa Arm und hob die Spritze.
»Bettlerin«, keuchte Theresa. »Gabe…« Sie schloß die Augen, und die Fieberschauer tanzten über ihren Körper und brannten sich in ihre Seele. Verloren…
Sie fühlte nichts. Als sie die Augen wieder öffnete, hielt Vicki immer noch die Spritze über Theresas Arm.
»Tessie…«, flüsterte Vicki. »Möchten Sie wirklich lieber sterben? Ich kann Sie nicht zwingen… Doch, natürlich könnte ich Sie zwingen, aber ich darf es nicht, es müßte Ihre eigene Entscheidung sein… Verdammt, Jackson! Das sollte doch Ihr Problem sein!«
Theresa sagte: »Mein… Problem.«
Vicki starrte sie an. »Ja. Ihr Problem. Ihre Entscheidung. Ihr Leben… mein Gott, Tess, wie könnte ich es denn unterlassen… Also gut. Ihre Entscheidung. Soll ich Ihnen die Spritze geben? Wenn ich es nicht tue, könnten Sie sterben – Sie könnten, ich weiß es nicht sicher. Wenn ich Ihnen die Spritze gebe, könnte sich Ihre Hirnchemie verändern – möglicherweise, denn auch das weiß ich nicht genau, ich bin kein Arzt.«
Ihre Hirnchemie verändern. Aber das konnte Theresa doch schon! Sie konnte Cazie sein, konnte die Bettlerin sein, konnte selbst die Vorgänge in ihrem Gehirn steuern – wenigstens ein bißchen.
Genug, um Theresa zu sein.
Auch wenn ihr Körper umgestellt sein würde. Sie war mehr als nur ihr Körper. Hatte sie das denn nicht immer schon gewußt? War es nicht das, worüber sie mit Jackson so oft diskutiert hatte?
»Tess? Sie lächeln wie… Lieber Himmel, Kleines, Ihre Stirn ist ja glühend heiß… Ich weiß nicht, was ich tun soll!«
»Geben Sie mir die Spritze«, sagte Theresa und dachte, während die Nadel in ihre Haut drang und die Fieberschauer in ihr wirbelten, daß Vicki letzten Endes doch nicht so war wie Cazie: Cazie hätte nie zugegeben, daß sie nicht wußte, was sie tun sollte.
Der Inhalt der schlanken schwarzen Spritze entleerte sich in ihren dünnen Arm.
24
Als Vicki geendet hatte, blieb Jackson lange reglos liegen. Ihr Körper neben dem seinen auf dem schmalen Kelvin-Castner-Gästebett lenkte ihn längst nicht mehr ab von dem, was sie sagte, und der Schlaf war ihm gründlich vergangen.
Er glaubte ihr. Auch wenn ihm einiges von den Geschehnissen, die sie
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