Bettler 03 - Bettlers Ritt
Durchbruchs. Und wenn, dann würde man eine derartige Sache nicht für politisches Kleingeld wie diese Wahl einsetzen. So etwas wäre Milliarden wert.«
»Woher stammt es dann?« fragte Vicki. »Von Miranda Sharifi?«
»Aber warum? Warum sollten die SuperS so etwas tun?«
»Keine Ahnung.«
Der Luftwagen fing an zu schaukeln. Jackson sah, daß Lizzie wütend gegen die Innenseite des regennassen Fensters hämmerte. Er sah Annie, die ihre Toleranz für eine neue Situation halbwegs wiedererlangt hatte – wenigstens solange die Wirkung des Pflasters anhielt. Er sah das Baby, das sich verhielt wie eine winzigkleine Theresa, mit Theresas Scheu und Angst vor allem Neuen, allem Riskanten, jeder Abweichung vom Gewohnten.
Wie etwa der Wahl eines Nutzers in ein politisches Amt.
»Wer dann, Jackson?« drang Vicki in ihn. »Wer ist fähig, das zu tun, und zwar an verschiedenen Orten zugleich? Und wie?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Jackson. Aber es mußte Miranda sein, denn niemand sonst verfügte über eine derart hochentwickelte Neurobiologie… aber es konnte nicht Miranda sein. Sie machte doch die Menschen nicht weniger lebenstüchtig!
Oder?
Es mußte Miranda sein. Es konnte nicht Miranda sein.
Ein ganzes Volk aus lauter Theresas.
»Ich… weiß es nicht.«
12
Lizzie drückte Dirk fest an sich und versuchte sich einzureden, es wäre zum Besten des Kleinen. Noch nie hatte sie etwas dergleichen gesehen. Doktor Aranow hatte sie in die Enklave Manhattan-Ost gebracht – war einfach durch den Y-Schild geflogen, als hätte der nicht existiert, und auf dem Dach seines Wohnblocks gelandet. Nur handelte es sich nicht um einen Wohnblock, den Lizzie, aufgewachsen in der Nutzer-Stadt East Oleanta und danach auf der Landstraße, je als solchen erkannt hätte. Sie erkannte nicht einmal, daß das Dach ein Dach war. Es war schön! Leuchtendgrünes GenMod-Gras, Beete mit zarten Blumen, Bänke, seltsame Statuen und noch seltsamere Robs, bei deren Anblick es sie juckte, sie zu zerlegen. Aber sie würde sie nicht zerlegen. Sie würde sie nicht einmal berühren. Sie war nicht hell genug dazu. Sie war bloß eine blöde Nutzerin, die Mist gebaut hatte: die Wahl verloren, ihren Stamm enttäuscht und Leid, das sie nicht verstand, über ihr Baby gebracht.
»Hier entlang«, sagte Doktor Aranow und führte sie über das Dach, das keines war. Es war warm und wolkenlos hier.
»Ach, wie köstlich ist ein Junitag«, rief Vicki, was keinen Sinn ergab, denn es war April. Vicki lächelte zwar nicht, aber sie sah bei weitem nicht so verwirrt aus, wie Lizzie sich fühlte. Doch Vicki hatte natürlich früher einmal auch so gelebt. Wieso hatte sie dieses Leben bloß aufgeben können, um nach East Oleanta zu kommen? Lizzie fühlte sich irgendwie beschämt; nie hätte sie sich vorgestellt, daß Vicki so etwas hinter sich gelassen hatte. Lizzie fielen die vielen Gelegenheiten ein, bei denen sie Vicki erklärt hatte, wie die Welt wirklich lief, und jetzt wand sie sich bei der Erinnerung daran. Sie wußte nicht genug, um Macher zu belehren. Sie wußte überhaupt nichts.
Und gestern noch hatte sie alles gewußt. Erst gestern.
Doktor Aranow hatte Annie ins Lager zurückgebracht, und nun führte er Lizzie, Dirk und Vicki zum Lift, der sagte: »Guten Tag, Doktor Aranow.«
»Hallo. Zu meinem Apartment, bitte. Ist meine Schwester zu Hause?«
»Ja«, sagte der Lift. »Miss Aranow ist zu Hause.« Er blieb stehen, und die Tür öffnete sich direkt in den herrlichsten Raum, den Lizzie je gesehen hatte. Er war lang und schmal, hatte glatte weiße Wände, einen Boden aus glänzendem silbergrauem Stein, der mit Teppichen belegt war, und ein perfekt passendes kleines Tischchen mit Rosen darauf – nur waren die Rosen keine richtigen Rosen, denn sie hatten sonderbare silbergraue Blätter und strömten einen betörenden Duft aus. Ein Bild an der Wand wurde von einer unsichtbaren Lichtquelle beleuchtet. Lizzie wußte nicht, was sie von dem Bild halten sollte: zwei nackte Frauen, die im Gras liegend Nahrung aufnahmen, und zwei Männer in steifen, altmodischen, nicht konsumierbaren Kleidern. Die Männer waren offenbar nicht hungrig.
»Manet«, stellte Vicki fest. »Das Original natürlich.« Aber Doktor Aranow antwortete nicht. Er schritt weiter, und als sie ihm folgten, merkte Lizzie, daß der wunderschöne weiße Raum mit den Rosen nur ein Korridor gewesen war.
Denn innerhalb der Wohnung gab es einen weiteren Korridor, und dann erst kam ein wirkliches Zimmer.
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