Bettys Horrortrip
aufbaute, die mit ihrer Spitze gegen das Feuer der zweiten Fackel strich.
In dieses Chaos hinein schleuderte ich die zweite Mixtur. Ein Knall, ein puffendes Geräusch, dann schössen die Flammen in die Höhe und fielen als brennender Regen wieder zu Boden.
Aber ein Zentrum blieb, denn das Feuer der Fackel hatte sich mit dem anderen verbündet. Beide bildeten eine Wand, die so schnell nicht mehr zu löschen war, und die fünf Mitglieder dieser verfluchten Sekte dachten nur daran, ihr Ziel zu erreichen.
Sie rannten weiter, schauten sich dabei nicht um.
Als wäre das Feuer gar nicht vorhanden, hielten sie Kurs und liefen hinein.
Und die Flammen waren dankbar. Sie griffen nach ihnen wie nach einer Beute. Sie waren hungrig, sie wollten Nahrung.
Die Menschen loderten auf. Plötzlich war es vorbei mit ihrer Disziplin. Die Reihe riß auf, und sie rannten in alle Richtungen davon. Sie wußten nicht mehr, was sie tun sollten, sie waren plötzlich völlig von der Rolle, reagierten nur noch in Panik. Da der Stoff ihrer Kapuzen hell loderte, sahen sie noch schauriger aus. Mit brennenden Mützen eilten sie durch das alte Krematorium.
Ich hatte mir den Jungen geschnappt und war zurückgewichen. Weg von dem Feuer, von dieser Lache auf dem Boden, über die die Feuerzungen tanzten.
Die Hitze hatte mich zwar erwischt, mich aber nicht angesengt. Auch dem Kind war nichts passiert, was ich als einen sehr großen Vorteil ansah, den größten überhaupt.
Ich mußte mit ihm weg und hatte meine rechte Hand in seinen Nacken gestemmt, als wäre er kein Mensch, sondern ein Hase. Die Luft war heiß geworden, der Rauch durchwehte sie in dichten, schwarzen und auch fetten Schwaden, die an einigen Stellen umhertrieben wie schwarz gewordene Nebeltücher.
Ich hatte so stark unter dem eigenen Druck gestanden, daß ich erst jetzt die Schreie wahrnahm. Es waren weder meine noch die des Jungen, die anderen schreien.
Sie brannten wie Fackeln.
Sie hatten mit dem Schrecken gespielt, sie hatten das Grauen geholt, und nun zahlten sie ihren schrecklichen Tribut, einen fürchterlichen Tod durch das Feuer. Nur eine Person hatte sich noch auf den Beinen halten können, aber auch sie sackte in die Knie. Sie faßte dabei nach der lodernden Kapuze, schaffte es aber nicht, sie von ihrem Kopf zu zerren, denn die verbrannten Reste klebten noch auf der Haut.
Ich drehte mich um. Neben mir stolperte der Junge her. Er hustete und weinte zugleich. Aus seinen Augen rannen Tränen, die sich mit dem Ruß auf seinem Gesicht vermischten.
Der Ausgang – endlich!
Der Nebel, die frische Luft. Die Schwaden, die tanzenden, grauen Schleier. Das war die Freiheit, die Rettung, denn hinter mir lag die Hölle.
Ich schrie, als wir gemeinsam über die Schwelle torkelten. Es war kein Schrei der Verzweiflung. Ich fühlte mich plötzlich befreit und erlöst, dieser Hölle entwischt zu sein.
Aber nicht nur ich allein. Auch den Jungen hatte ich aus diesem Inferno wegschaffen können. Er war sehr schwach auf den Beinen und mußte von mir gestützt werden.
»Gleich«, sprach ich ihn leise an. »Gleich haben wir es geschafft, Kleiner.«
»Ich will nach Hause.« Er jammerte, als wollte er einen Stein erweichen, und ich konnte ihn zu gut verstehen.
»Du kommst nach Hause, keine Sorge. Du wirst bald wieder bei deinen Eltern sein, aber zuvor werden wir auf dem Motorrad fahren. Ist das in Ordnung?«
Er gab keine Antwort. Vielleicht hatte er mich nicht gehört. Ich wiederholte meine Frage auch nicht. Dafür blieb ich stehen, hielt den Jungen fest und schaute noch einmal zurück.
Der Nebel und das Dunkel dazwischen hatten ein großes, zuckendes Feuerauge bekommen. Es tanzte hinter und in den Schwaden. Es zuckte. Es glühte mal rot, dann dunkler, aber es fiel immer mehr zusammen. Die Hände hatte ich zu Fäusten geballt. Noch immer stand ich da und starrte nach vorn, den Kopf voller Gedanken, aber einer kristallisierte sich immer stärker hervor.
Du hast es geschafft! Geschafft! Du bist der Hölle entkommen! Du hast ein Kind retten können…
Vor dem Gang in das Krematorium hätte ich nie daran gedacht, lächeln zu können. Aber jetzt schaffte ich es, und ich spürte, wie meine Lippen anfingen zu zucken.
Es blieb nicht dabei. Die innere Spannung löste sich allmählich, und aus dem Lächeln wurde ein Lachen, das sich letztendlich in ein kreischendes Gelächter der Erleichterung verwandelte, das ich hineinschickte in die weichen, grauen Nebelwände.
An Wunder hatte ich bisher nie
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