Bettys Horrortrip
so recht glauben wollen. Meine und die Rettung des Jungen aber kam mir wie ein kleines Wunder vor, und Verfolger erschienen auch nicht. Das Feuer – in diesem Fall vielleicht das Höllenfeuer – hatte die Mitglieder der Nekro Church geholt.
»Können wir jetzt gehen?« Die klagende Stimme des Jungen riß mich aus meinen Gedanken.
»Ja, mein Kleiner.«
»Ich bin nicht mehr klein!« beschwerte er sich.
»Okay, du bist groß, entschuldige. Wie heißt du denn?«
»Jobst.«
»Ein schöner Name. Ich heiße Betty, und ich habe mir geschworen, dich nach Hause zu deinen Eltern zu bringen. Wohnst du in Amsterdam?«
»Nein, woanders.«
»Wo denn?«
»In Hoofddorp, in der Gandhistraat 73.«
»Das werde ich finden, Jobst. Wie lange bist denn schon von deinen Eltern weg?«
»Seit gestern abend.«
Ich erfuhr, während wir zu meiner Maschine gingen, daß er am Abend gekidnappt worden war. Mit seiner Mutter war er eislaufen gewesen. Er hatte nicht mit in den Billigladen gehen wollen, in dem Klamotten verkauft wurden, so war er draußen geblieben. Ein Fahrzeug hatte neben ihm gehalten, zwei Männer waren herausgesprungen, hatten ihn gepackt und ihn blitzschnell in den Wagen gezerrt. Dann waren sie davongefahren. Zeugen gab es nicht.
»Auch wenn es neblig ist«, sagte ich. »Du wirst sicher von mir nach Hause gebracht.«
Jobst nickte nur. Er hatte andere Sorgen, denn er fror. Zum Glück besaß ich einen breiten Schal, in den ich den Jungen einwickelte. Als er auf dem Rücksitz der Maschine saß, ging es ihm besser, und er staunte über den heißen Ofen.
»Nur fliegen ist schöner«, sagte ich dann und startete…
***
»Bin ich jetzt eine Mörderin, John?« fragte mich die Frau mit leiser Stimme und schaute mich dabei an.
Sie bekam keine rasche Antwort von mir. Ich brauchte Zeit, um ihre Erzählungen zu verdauen. Es war ein sehr engagierter Bericht gewesen.
Betty hatte nicht nur gesprochen, sie hatte diese Worte auch regelrecht durchlebt und sah entsprechend mitgenommen aus. Sie fühlte sich nicht mehr als harte Frau, sie war verletzt worden, sie hatte zu kämpfen, und sie wollte von mir hören, daß sie keine Mörderin war.
»Sag doch was, John!«
»Ist es so wichtig für dich?«
»Ja – sehr.« Sie betrachtete ihre dunkelrot lackierten Finger und sagte mit leiser Stimme: »Es ist alles so verdammt wichtig für mich. Ich habe diesen Job angenommen, weil ich davon überzeugt war, etwas Gutes zu tun. Ich wollte auch helfen und nicht nur in diese üblichen Frauenberufe hineingehen. Ich habe das Verbrechen immer gehaßt. Ich mochte es nicht, wenn Menschen von anderen Menschen gequält, gedemütigt und schließlich auch getötet wurden. Deshalb bin ich diesen Weg gegangen. Über eine Bekannte habe ich von der Organisation erfahren…«
»Pardon, Betty, bist du vorher bei der Polizei gewesen?«
»Nein. Ich habe gejobbt, dann wollte ich studieren, habe auch damit angefangen, und irgendwie konnte ich mich schon immer wehren. Ich war körperlich fit, und ich habe es geschafft, jemandem das Leben zu retten, wobei die beiden Männer, die diese Frau erledigen wollten, nicht mehr gut aussahen. Das hat sich dann herumgesprochen. Eines Tages kam dann jemand zu mir und fragte mich, ob ich schon einen Job hätte oder wenigstens eine Vorstellung für die Zukunft.« Sie lachte. »Die hatte ich damals natürlich nicht. Man machte mir einen Vorschlag. Man bezahlte mein Studium mit der Prämisse, daß ich später einmal beim Staat anfangen könnte. Von einer bestimmten Position haben sie damals nicht gesprochen, aber ich hatte mich darauf eingelassen. Schon während des Studiums wurde ich nebenbei ausgebildet. Im Nahkampf, in der Handhabung von Waffen und so weiter.« Sie winkte ab. »Ich will dich nicht langweilen, John, jedenfalls arbeite ich nun für den ESS.«
»Der geheim ist?«
»Er befindet sich noch im Aufbau. Wir kümmern uns eben um Fälle, die nicht zu beweisen sind und schreiten ein bei Gefahr im Verzug, wie es so schön heißt.«
»Gut, Betty, ich akzeptiere es. Europa wächst zusammen. Die Sekten bedrohen seine Bürger, da muß es auch einen derartigen Dienst geben.«
»Wobei meine erste Frage noch steht«, sagte sie. »Hältst du mich für eine Mörderin, John?«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin zwar kein Richter, aber ich bin sicher, daß du in Notwehr gehandelt hast, Betty. Du hast jemanden gerettet, das war außergewöhnlich. Durch dich lebt dieser Junge, die anderen hätten ihn sonst
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