Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)
Spiderman-Comic ins Bett. Vorher sah er gründlich unter dem Bett nach und kontrollierte das ganze Zimmer, zog die Vorhänge dann zu und legte sich mit dem Rücken zum Fenster.
Er hatte heute keine Lust auf irgendeinen Besuch.
Die Katastrophe ging am nächsten Morgen weiter.
Schon als er die Augen aufschlug, erschreckte er sich und wusste, dass es wieder ein bescheuerter Tag werden würde. Oded stand in seinem Zimmer und sagte irgendetwas, Viktor hörte gar nicht hin und versuchte , seinen Geist zu kontrollieren.
Seine Mutter hatte angeblich einen Termin in der Regulierungsbehörde und musste angeblich dann nach Salix Alba fahren und angeblich musste Oded erst den Laden übernehmen und sie dann mit dem Auto herumfahren und solch einen Unsinn.
Viktor zog sich widerwillig an, putzte widerwillig seine Zähne , und ging extrem widerwillig mit Oded nach unten ins Atelier, wo er dann mit Hala und Gem widerwillig in deren Küche saß und extrem widerwillig frühstückte.
Ihm war übel und er musste zweimal fast würgen. Maricel hatte einen Haferbrei zum Frühstück gemacht. Obwohl Viktor nichts gegen Haferbrei hatte , war der Brei heute Morgen unerträglich. Erst von Oded geweckt zu werden, obwohl Viktor seit seiner Geburt täglich von Helena geweckt wurde. Dann nicht in der eigenen Küche frühstücken, wo er Helenas hektisches Herumrennen oder ihr träges Zeitungslesen beobachten konnte. Und dann nicht Brot und Marmelade, was er gefrühstückt hatte, seitdem er Zähne hatte, sondern Haferbrei. Und das auch noch mit fremden Menschen am Tisch. Nicht dass Gem und Hala Fremde wären, aber am frühen Morgen war jeder ein Fremder, der nicht wie Helena aussah.
Viktor starrte auf das Tischtuch mit einer Mischung aus Verzweiflung und Feindseligkeit. Hässliches Tischtuch. Hässliches, hässliches Tischtuch. Abartiges, widerliches, ekeliges Tischtuch. Er würgte fast wieder. Gem fragte ihn irgendwas, Viktor schreckte auf und blickte hektisch nach links und rechts. Er murmelte irgendwas und vertiefte sich wieder ins Tischtuch, während er seinen Haferbrei löffelte. Abscheuliches Tischtuch. Ganz am Rande seines Bewusstseins war es Viktor schon klar, dass Helena oben in ihrer Küche genau das gleiche Tischtuch hatte, sie hatte eine 20-Meter-Rolle aus China bestellt und alle Mitarbeiter und sich selbst damit ausgestattet. Aber an diesem Morgen war dieses Tischtuch in Maricels Wohnung abscheulich.
Viktor seufzte, als Oded ve rkündete, dass alle sich fertigmachen sollten für die Abfahrt zur Schule. Er schaute nach draußen, es regnete. Die Regentropfen hämmerten leise an die Fensterscheibe und er sah ein paar Vögel in den Bäumen, die mit aufgeplusterten Federn dasaßen.
Er schloss die Augen, atmete tief ein und aus , und versuchte, seinen Geist zu kontrollieren. Er wusste, dass am Abend Cristobal kommen würde, er hoffte es zumindest, und konnte es kaum abwarten. Er dachte an seine nächste Karatestunde und freute sich darauf.
Er flüsterte leise „Ossu!“, nahm seinen Rucksack und folgte Oded und d en anderen zum Auto.
Phytohormon
Viktor und Cristobal schlossen das Gartentor hinter sich und gingen leise die Aquifoliumstraße hoch. Roccos Bar war dunkel und still. Im ersten Stockwerk brannte noch ein Licht.
Sie gingen die Pazifikstraße entlang, überquerten den Platz der Holoarktis, gingen am Friedhof und an der Kirschallee vorbei und spazierten die Azorenstraße hoch. Es war schon vollkommen dunkel, die Straßen waren verlassen und die einzigen Lebenszeichen waren die beleuchteten Fenster der Häuser, und gelegentlich ein Auto, das an ihnen vorbeifuhr.
Die Begegnung mit Cristobal an jenem Abend war schwerfällig und unbehaglich. Die Elstertruppe kam bei Sonnenuntergang wieder vorbei, positionierte sich auf dem Fensterbrett und Viktor sah wieder ein paar große Vögel, die wie Adler aussahen, am Himmel langsam ihre Runden drehen. Er schloss die Vorhänge, vertiefte sich in sein Kinderlexikon und las gerade den Eintrag über die Osterinsel, als er ein leises Klopfen an seinem Fenster hörte.
Zuerst wollte er gar nicht nachschauen, da er dachte, das wären wieder die Elstern, die ab und zu klopfende Geräusche bei ihren Patrouillen auf dem Fensterbrett machten. Aber als das Klopfen andauerte, ging er zum Fenster und zog die Vorhänge vorsichtig ein kleines Stück zur Seite. Die Elstern hatten Cristobal Platz gemacht und stellten sich neben ihn in Reih und Glied auf.
Viktor hatte Angst aufzumachen,
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