Between Love and Forever
auf.
»Was machst du da?«
Ich blicke über die Schulter und sehe Mom in Tess’ Zimmertür stehen. Ihr Blick wandert vom Laptop zum Telefon in meiner Hand, dann wieder zu mir. Sie sieht müde aus, niedergeschlagen, aber nicht überrascht, will einfach nur wissen, was ich in Tess’ Zimmer verloren habe.
»Ach, nur ...« Ich zeige auf Tess’ Computer. »Ich hab nur was nachgeschaut. Eine Datei. Für die Schule.«
»Auf Tess’ Computer?«, fragt Mom und schüttelt denKopf über meine lahme Ausrede und ich füge hinzu: »Ich wollte nur ... Tess war ... es ...«, und sehe, wie ihr Gesichtsausdruck sich langsam verändert.
Wie sie langsam begreift, dass ich etwas herausgefunden habe, das sie längst weiß.
Mom weiß es und ich stehe auf, lege das Telefon weg und sage: »Warum hast du es mir nicht erzählt?«
Ich erwarte, dass Mom sich irgendwie herausredet und mir erzählt, sie wollte noch damit warten oder so. Aber nichts dergleichen.
»Weil es mir nicht zusteht, dir das zu sagen«, antwortet sie nur.
»Weil es dir nicht zusteht?«, wiederhole ich und meine Stimme wird schrill. »Die ganze Zeit dachte ich, dass Tess ...«
»Was?«, sagt Mom und ihre Augen werden schmal, weil sie vielleicht denkt, dass ich Tess dafür verurteile, dass sie lesbisch war, dass ich ...
»Hey«, sage ich, »was hast du denn erwartet, wie ich reagieren würde? Hast du gedacht, ich würde sie anzünden, oder was? Wofür hältst du mich eigentlich?«
»Abby«, sagt Mom, während sie auf mich zukommt und meinen Arm berührt. Ich hab doch nicht ...«
»Oh, doch, hast du wohl.«
»Nein«, sagt sie leise. »Glaub mir, das stimmt nicht. Ich ... ich wusste nur nicht, wie viel du schon weißt.«
»Ich weiß, dass Tess in Claire verliebt war, und Claire hat sie auch geliebt, da bin ich mir ziemlich sicher, aber anscheinend hat sie Tess wehgetan. Und dann hat TessBeth kennengelernt, wollte sich aber nicht öffentlich dazu bekennen, dass sie ein Paar waren, also ...«
»Lass uns runtergehen und in Ruhe miteinander reden«, unterbricht Mom mich. »Es gibt da einiges, was wir dir erzählen müssen, dein Vater und ich.«
»Was, noch mehr?«, sage ich verdutzt und Mom nickt, bevor sie sich abwendet. Ich höre, wie sie die Treppe hinuntergeht.
Nach kurzem Zögern folge ich ihr.
Kapitel 40
Ich erwarte, dass wir steif im Wohnzimmer sitzen, wie Fremde, und meine Eltern nervöse Blicke wechseln, während sie von Tess reden und sich dabei gegenseitig die Worte in den Mund spielen, ohne wirklich zu wissen, wie sie es mir sagen sollen.
Stattdessen sitzen wir in der Küche beim Abendessen, wie sonst auch. Nein, wie früher, als Tess noch zu Hause war. Vor dem Unfall, als Mom und Dad noch ganz unbekümmert von Tess redeten und ihr leerer Platz nicht tabu war. Und als wir auch sonst noch Gespräche führten und uns erzählten, was tagsüber passiert war.
Darauf bin ich nicht gefasst und ich wundere mich, wie leicht meine Eltern das Thema anschneiden, wie Dad kurz zu Mom schaut und wartet, bis ich mich hingesetzt habe, und dann einmal nickt und anfängt: »Ich weiß nicht, ob Tess uns je was erzählt hätte, wenn ich sie nicht mit Claire gesehen hätte, als ich in ihr Zimmer reingeplatzt bin, um Gute Nacht zu sagen. Fünfzehn war sie damals.«
»Du wirst dich nicht dran erinnern«, sagt Mom und reicht mir eine Schale Popcorn. »Du warst damals zwölf und ...«
»Das war an dem Abend, als Claire nach Hause gegangenist, weil ihr angeblich schlecht war. Sie hat behauptet, sie hätte zu viel Eis gegessen, aber ich wusste, dass das gelogen war. Stimmt’s?«, werfe ich ein und Mom nickt.
Ich hab damals gleich gemerkt, dass was passiert war. Nur eben nicht, was.
»Jedenfalls haben wir Claire nach Hause geschickt ... also Tess hat sie ... ähm na ja.« Mom räuspert sich.
»Ihr wart natürlich überrascht«, sage ich und staune immer noch über meine Eltern. Dad nimmt sich eine Mini-Portion Popcorn, wie immer. Warum läuft alles so undramatisch ab? Warum reden wir nicht mit gedämpften Stimmen? Warum sind wir so normal?
»Also wirklich, Dave«, sagt Mom und ihre Stimme klingt zugleich liebevoll und gereizt, dann schaufelt sie ihm noch eine Portion Popcorn auf den Teller, bevor sie sich wieder mir zuwendet. »Wir haben also mit Tess geredet. Und um dir die Frage zu ersparen: Ja, das war der Grund, warum du so lange aufbleiben und im Wohnzimmer unten fernsehen durftest.«
»Ja, richtig«, sage ich und schaue zu, wie Dad das Popcorn, das Mom ihm
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