Beuterausch
frönte sie letzterer. Genevieve freute sich über die Gesellschaft, als Andrew, der Barkeeper, mit dem sie sich gut verstand, zu ihr rüberkam.
»Kann ich dir eine saugfähige Unterlage verschaffen, Genevieve? Die Muscheln sind gut heute.«
»Ich nehm nur ein paar Pommes mit Majo, danke.«
»Einmal in Europa gewesen, und schon isst du wie ein Frosch.«
»Quak.«
Er rief die Bestellung in die Küche.
»Machen dir deine kleinen Schützlinge mal wieder Kummer? Du runzelst die Stirn, meine Liebe. Das gehört sich nicht in einer Bar.«
Sie war sich dessen nicht bewusst gewesen.
»So schlimm sind sie nicht.«
»Glotzen die Jungs dir immer noch auf deinen süßen Hintern?«
»Ich versuche, mich mehr oder weniger wie eine Nonne anzuziehen. Aber das scheint alles nicht zu helfen.«
»Darüber solltest du froh sein. Es hält ihr Interesse aufrecht.«
»Stimmt. Aber das Interesse woran?«
»Die Jungs haben mein volles und tiefes Mitgefühl. Aber ich könnte auch kein Dreieck von einem Viereck unterscheiden, wenn ich ein Schüler wäre und du dich über deinen Lehrplan beugen würdest, das kann ich dir sagen.«
»Nett von dir, Andrew. Glaubst du, wenn ich ihnen verraten würde, wie ich gepolt bin, würde das die Lage ein bisschen beruhigen?«
»Süße, das würde es nur noch schlimmer machen. Was ist das für ein Zettel?«
Sie hatte nicht bemerkt, dass sie mit dem Stück Papier herumspielte.
»Eine Telefonnummer. Eltern einer meiner Schülerinnen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Mädchen schwanger ist.«
»Aua. Also willst du es den Eltern sagen?«
»Sollte ich nicht?«
»Schwere Frage, Genevieve. Es könnte ihre Situation noch verschlimmern.«
»Meinst du?«
»Wenn die Eltern es noch nicht wissen und ein Fremder schon, ist in neun von zehn Fällen zu Hause die Hölle los.«
»Aber es wird sehr bald sehr offensichtlich sein.«
Er zuckte die Achseln. »Hey, es ist deine Entscheidung. Mein Vater hat mir immer gesagt: Versuch nie, etwas daran zu ändern, wenn eine Frau sich erst mal was in den Kopf gesetzt hat. Ich glaub, ich befolge in diesem Fall seinen Rat.«
Am anderen Ende der Bar hob Ginger ihr leeres Weinglas, und er ging zu ihr.
Genevieve nippte an ihrem Scotch und dachte nach.
Sie hatte ihr Handy mal wieder im Schreibtisch in der Schule liegen gelassen. Vielleicht war das ein Zeichen.
Aber vielleicht auch nicht.
Sie wusste, Andrew hatte recht: Es konnte ein Fehler sein. Es war auf jeden Fall eine Einmischung. Aber damals und auch heute noch wünschte sie manchmal, jemand hätte sich eingemischt bei Dorothy, die eine begabte Pianistin und ihre erste Liebhaberin gewesen war. Die kurze Affäre mit ihr an der Highschool war für sie beide ein Experiment gewesen. Danach hatte sich Dorothy in den Fächern Musik und Psychologie am College eingeschrieben, nur um von ihrem Musikprofessor schwanger zu werden, der dann Angst bekam, weiter eine Studentin zu vögeln, und sie abservierte.
Nach dem, was sie gehört hatte, hatte man es gerade so an ihrem Bauch sehen können, als man sie im Wohnheim mit dem Gesicht nach oben auf dem Badezimmerboden fand.
Die Handgelenke in der richtigen Richtung aufgeschlitzt.
Genevieve hörte das Pling der Küchenglocke und wusste, dass ihre Pommes frites fertig waren, doch sie war schon mit dem Zettel in der Hand auf dem Weg zum Münztelefon hinten bei den Toiletten.
»Ach, verflucht«, sagte ihr Vater. »Immer beim Abendessen. Peg, kannst du mal hören, wer das ist?«
Sie stand von ihrem Stuhl auf und ging durch den Flur zum Telefon und wartete, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete.
Hallo, hörte sie. Hier spricht Genevieve Raton. Ich habe eine Nachricht für Mr. und Mrs. Cleek. Peggy ist eine Schülerin in meinem Mathematikunt…
Sie unterbrach die Aufzeichnung. Löschte sie. Entfernte die Nummer aus der Anzeige.
Großer Gott.
Sie ging zurück in die Küche und setzte sich vor ihren Salat.
»Verwählt«, sagte sie.
Genevieve hängte den Hörer ein und fragte sich, ob sie es noch einmal versuchen sollte. Sie hatte die Ansage auf dem Gerät gehört – es war die Stimme des Vaters. Jemand hatte auch ihre Stimme gehört. Jemand hatte die Verbindung unterbrochen.
Als sie zurück zur Theke und ihren Pommes frites ging, überlegte sie immer noch.
Andrew stellte ihr einen frischen Dewar’s mit Eis hin.
»Geht aufs Haus«, sagte er.
»Danke.«
Er beugte sich zu ihr und legte den Kopf schief.
»Und?«
»Geht niemand dran.«
Er sah sie einen
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