Beuterausch
Augenblick lang ausdruckslos an.
»Ich sollte es sein lassen, stimmt’s?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Du hattest recht.«
Unter der Telefonnummer stand in ihrer hübschen geschwungenen Handschrift die Adresse der Cleeks. Nein, dachte sie. Keine gute Idee.
Sie knüllte den Zettel in der Faust zusammen. Andrew grinste. Sie schnippte die Papierkugel über die Theke in seine Richtung.
Dann dachte sie wieder an Dorothy. Und etwas sagte ihr, sie sollte diese Angelegenheit nicht vollständig zu den Akten legen. Noch nicht.
Deshalb holte sie sich das Kügelchen zurück, als Andrew ihr den Rücken zudrehte, und steckte es in ihre Handtasche.
Teil drei
Teil Drei
21
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Cleek hätte später nicht sagen können, was ihn aufgeweckt und dazu gebracht hatte, in Boxershorts und T-Shirt und Pantoffeln die Treppe hinunterzutapsen. Es könnte vieles gewesen sein. Ein bellender Hund. Ein Zweig, der in einer sommerlichen Windböe über das Fenster kratzte. Und es könnte auch alles Mögliche gewesen sein, das ihn dann nicht mehr einschlafen ließ. Die Sorge, dass sie irgendwie entkommen war oder sich bei dem Versuch verletzt hatte. Der Drang, sie noch einmal in dem Mennonitenkleid zu sehen. Ihr wolliges Haar zu berühren. Irgendetwas.
Belle wusste, was sie geweckt hatte. Cleek. Ein Knarren der Treppe und der leere Platz neben sich. Sie lauschte. Hörte, wie die Haustür geöffnet und geschlossen wurde. Spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen des Zorns füllten. Die Stille im Haus war ohrenbetäubend, bis sie von ihrem eigenen heftigen Schluchzen ins Kopfkissen ausgefüllt wurde.
Brian hatte überhaupt nicht geschlafen. Als er die Schritte seines Vaters im Flur und auf der Treppe und das gedämpfte Weinen seiner Mutter hörte, musste er nicht lange nachdenken, um zu dem Schluss zu kommen, dass sein Vater nicht nach unten gegangen war, weil er ein Glas Wasser trinken oder einen Mitternachtsimbiss zu sich nehmen wollte, sondern aus ganz anderen Gründen, und durch das Geräusch der sich öffnenden und schließenden Haustür wurde seine Vermutung bestätigt. Leichtfüßiger als sein Vater – und leiser – folgte er ihm.
Die beiden Mädchen schliefen. Pegs Schlaf war glücklicherweise traumlos, doch das würde sich wie immer gegen Morgen ändern. Darlin’s Schlaf voller Kinder. Kinder, die sie mochten. Kinder, die geküsst werden wollten.
22
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Nun, da er hier ist, weiß er genau, warum er hier ist. Es ist sonnenklar, und eigentlich hätte das von Anfang an so sein sollen. Er knipst das Licht an und sieht, dass sie hellwach ist und ihn auf ihre misstrauische, vorsichtige Art anblickt. Er sieht sie in ihrem Kleid. Er liebt das Kleid. Das hat Belle gut gemacht. Verdammt gut. Mennoniten, Mormonen – wo ist da schon der Unterschied? Sie benehmen sich allesamt anständig gegenüber ihrem Mannsvolk.
Respektvoll.
Nicht wie einige andere.
Manche Frauen denken nur ans Geld . Sind unfähig, sich das große Ganze vorzustellen. Machen sich Sorgen um die Finanzen wie ein Hund um seinen Knochen. Sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Zögern und zaudern.
Er kann sich nicht daran erinnern, wie es passiert ist – er war ein paar Sekunden ganz in Gedanken versunken –, aber jetzt ist er praktisch auf ihr. Dicht genug, um die Hand auszustrecken und sie zu berühren. Sie sieht nicht so aus, als beunruhigte sie das sonderlich. Könnte sein, dass es ihr gefallen würde, berührt zu werden. Heute Nachmittag schien sie es gemocht zu haben. Das Tätscheln ihres Kopfes.
Aber er nimmt an, dass es dieses Mal nicht seine Hand ist, die sie will.
Er glaubt, es ist sein Schwanz. Oder irgendein Schwanz.
Schlampe, denkt er.
Du hast mir den beschissenen Finger abgebissen.
Brian sieht alles durch sein Guckloch. Sein Vater, der Anwalt, ein aufrechter Bürger, der beschissene Christopher Cleek, Mitglied im Elternrat, im Rotary und im Kiwanis Club, hat die Hand auf das Schlüsselbein der Frau gelegt, streichelt es und wandert langsam hinab zu ihren Brüsten, während sie sich Auge in Auge gegenüberstehen – doch nur ihre Augen sind auf sein Gesicht gerichtet, er sieht sie nicht an, sondern zur Wand hinüber. Eigenartig. Brian kommt der Gedanke, dass sein Vater Schiss haben könnte. Dass er ihr nicht in die Augen sehen kann. Damit hat er nicht gerechnet.
Dann knöpft sein Vater ihr Kleid an der Seite auf.
Brians Mund ist trocken und steht offen – er atmet durch den Mund, was er sich seit der zweiten Klasse eigentlich abgewöhnt hat –
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