Beuteschema: Thriller (German Edition)
bekommt. Ich wollte sie zu ihren Eltern nach Hause bringen.«
» Sie haben einen Abschluss gesucht«, sagte Nick. » Und den haben Sie bekommen.«
» Sind Sie fertig?«, rief Claire. » Wir müssen los, sonst kommen Sie zu spät.«
Sie saß mit den Wagenschlüsseln in der Hand am Esszimmertisch im Haus ihrer Eltern und wartete darauf, dass Nick nach unten kam, damit sie ihn zum Flughafen fahren konnte. Während sie wartete, blätterte sie die Abschriften von Peter Lewis’ Prozess durch, die Doug ihr gegeben hatte.
» Komme sofort«, war Nicks Stimme gedämpft aus dem Obergeschoss zu vernehmen.
Fünf Tage waren vergangen, seit man Amys Leiche gefunden und eindeutig identifiziert hatte. Claire empfand eine völlig unbekannte Erleichterung. Der kleine bohrende Schmerz in der Magengrube, mit dem sie jeden Morgen aufgewacht war, war verschwunden.
Der Rest der Woche war mit offiziellen Aussagen und Interviews für die Medien gefüllt gewesen. Was die Polizei anging, hatte ihnen Claire die Lösung in einem der längsten und aussichtslosesten Fälle von verschwundenen Kindern in Rochester geliefert.
Unmittelbar nach Bestätigung der DNA -Ergebnisse begleitete Claire Hart, als dieser Amys Eltern in Kenntnis setzte. Sie wussten im selben Moment, in dem sie Claire vor ihrer Tür sahen, dass sie endlich Frieden finden würden. Amys Mutter schloss sie zärtlich in die Arme und strich ihr über das Haar, als wäre sie mit dem Kind wiedervereint, das sie verloren hatte. Claire erzählte ihnen, dass man Amys sterbliche Reste gefunden hatte und der für die Tat verantwortliche Mann eine lebenslängliche Gefängnisstrafe verbüßte. Und auf ihre Bitte hin sprach Claire bei Amys Begräbnis. Für sie war der Abschluss vollkommen.
All das wurde jedoch begleitet von ernüchternden Nachrichten. Die DNA -Probe von Doug Lewis sowie die Probe von Peter Lewis, die sich unter Claires Fingernägeln fand, nachdem sie ihn im Gesicht gekratzt hatte, ergab Treffer in mehreren ungelösten Morden an jungen Mädchen im ganzen Land: Phoenix, San Francisco und New Orleans. Und die Liste würde sicher noch länger werden. Haftbefehle gegen Peter Lewis wurden erlassen, und die Gouverneure von Arizona, Kalifornien und Louisiana verlangten, dass das Justizministerium die Auslieferung des älteren Lewis an die Vereinigten Staaten betrieb, damit man ihn vor Gericht stellen konnte.
Kanada verweigerte eine Zusammenarbeit. Das lag jedoch nicht an der Abmachung, mit der Lewis gegenüber Claire geprahlt hatte, sondern daran, dass das kanadische Recht eine Auslieferung an Gerichtsbarkeiten verbot, in denen dem Beschuldigten die Todesstrafe drohte. Und in den Bundesstaaten Arizona, Kalifornien und Louisiana wurde sie jeweils aktuell vollzogen.
In dem Wissen, dass sich Lewis wahrscheinlich nie der Gerechtigkeit in den USA stellen musste, dachte Claire, das Mindeste, was sie tun konnte, war, nach weiteren Opfern von ihm zu suchen. Deshalb ging sie Hunderte Seiten Prozessprotokolle aus Doug Lewis’ Keller durch, um nach Hinweisen Ausschau zu halten, die zur Entdeckung weiterer Leichen führen konnten.
Als sie Nick die Treppe herunterkommen hörte, war sie jedoch allmählich zu dem Schluss gekommen, dass das ganze Verfahren kaum mehr als eine Formalität war.
» Und– schon etwas gefunden?«, fragte Nick und stellte seinen kleinen Koffer ab, als er ins Wohnzimmer kam.
» Schön wär’s«, antwortete Claire, ohne die Augen von der eben vor ihr liegenden Seite zu nehmen. » Alles nur ein Haufen Juristengewäsch. Die Verteidigung plädiert auf schuldunfähig wegen Geisteskrankheit, und die Staatsanwaltschaft ruft dazu gerade ihren…«
» Ihren wen oder was?«, fragte Nick.
Aber er bekam keine Antwort. Er sah Claire an, die wie unter Schock auf das Papier vor ihr starrte.
» Was ist? Stimmt etwas nicht?«, fragte er beunruhigt.
» Hier, sehen Sie sich das an«, brachte Claire heraus, » und sagen Sie mir, dass ich nicht halluziniere.«
Nick eilte zu ihr an den Tisch und setzte seine Lesebrille auf. Sie zeigte. Er las.
Seine Augen weiteten sich. » O mein Gott«, war alles, was ihm einfiel.
Nick hatte soeben den Namen des Psychiaters gelesen, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft bezeugte, dass Peter Lewis nicht geisteskrank war und in dem kanadischen Mordfall vor Gericht gestellt werden durfte.
Dr. Paul Curtin.
25
Claire saß am Fenster des Airbus A320 und sah auf die dünnen Wolkenschleier direkt unter ihnen hinab. Sie sehen aus wie Spinnweben,
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