Beuteschema: Thriller (German Edition)
sie.
» Wen?«, fragte Fairborn.
» Amy«, sagte Claire, als müsste Fairborn es wissen. » Das Mädchen, das ich getötet habe, als ich klein war.«
» Claire…«
» Sie war meine beste Freundin, und sie wurde vor meinen Augen entführt. Ich habe nichts getan, um es zu verhindern, und jetzt ist sie tot. Ich habe sie getötet. Und jetzt habe ich meinen Freund getötet, weil Todd Quimby eifersüchtig wurde.«
» Sie haben niemanden getötet«, versicherte Fairborn.
» Doch!«, rief Claire aus, und die Tränen flossen wieder. » Ich habe mich wie eine Hure hergerichtet– seine Hure–, weil ich wollte, dass Sie und Dr. Curtin mich respektieren.«
Alles drehte sich um Claire. Sie weinte jetzt hemmungslos. Fairborn führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie auf das Sofa.
» Ich weiß gar nicht, was mit mir ist …« Claire schluchzte.
» Nichts ist mit Ihnen«, versicherte ihr Fairborn.
» Aber das mache ich sonst nie. Ich weine nicht…«
» Sie haben Ihre Gefühle sehr lange unter Verschluss gehalten, und jetzt drängen sie an die Oberfläche. Das Beste, was Sie tun können, ist, sie herauszulassen.«
» Bitte, sagen Sie mir, warum. Warum Amy? Warum Ian?«
» Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen, Claire. Aber das sind Fragen für eine höhere Macht.«
Claire sah sie empört an. » Also bitte. Wir sind Ärzte. Wir halten uns an die Wissenschaft, wenn wir Antworten suchen.«
Fairborn nickte freundlich. » Die Wissenschaft kann uns niemals verraten, warum Ihre Freundin Amy entführt wurde oder warum Todd Quimby…«
» Doch, das kann sie. Todd Quimby litt unter einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Er hätte auf die Medikamente ansprechen müssen, die ich ihm verschrieben habe.« Claire ließ den Kopf sinken und weinte noch heftiger.
» Sie suchen nach Antworten, wo es keine gibt«, sagte Fairborn.
» Was mache ich jetzt nur?« Claire heulte.
» Vergeben Sie sich.«
» Ich weiß nicht, wie.«
Fairborn hielt inne und überlegte, wie sie antworten sollte. Dann sah sie Claire an und fasste sie an beiden Händen. » Wissen Sie noch, wie Sie Quimby zum ersten Mal gesprochen haben? Wie Sie gekämpft und sich abgestrampelt haben und ihn schließlich dazu brachten, sich alles von der Seele zu reden? Er war ihr erster Patient in Rikers, und Sie haben einen Home Run geschafft.«
» Ja, und dann habe ich den Ball fallen gelassen.«
» Weil Sie auch nur ein Mensch sind, Claire. Wie wir alle. Wir können nicht vorhersagen, wie wir im nächsten Augenblick handeln werden, geschweige denn wie andere handeln werden. Wir möchten uns gern einreden, dass wir Verhalten erklären können, wenn wir genügend Informationen haben. Aber es gibt einen menschlichen Faktor– unsere Patienten erzählen uns nicht alles. Und Gott allein weiß, was sie sich selbst nicht verraten wollen. Oder was wir uns nicht verraten wollen.«
Claire sah Fairborn an, und ihr Blick flehte nach etwas, woran sie sich festhalten konnte.
» Ich weiß, Sie leiden. Das wird nicht morgen vorbei sein und nicht übermorgen, auch nicht im nächsten Monat. Es wird mit der Zeit besser werden. Aber nur, wenn Sie aufhören, sich selbst die Schuld für das zu geben, was diesen Frauen zugestoßen ist. Und Ian. Und Ihrer Freundin Amy.«
Der Tonfall von Fairborns Stimme ließ Claire daran glauben, dass es möglich sein könnte.
» Ich werde es versuchen«, sagte sie und schloss die Augen, um die Welt und ihre Grausamkeit nicht sehen zu müssen.
Todd Quimby lag auf dem Obduktionstisch, seine Brust war in Y-Form aufgeschnitten, ein Opfer der Grausamkeit seiner Mutter, das dann darangegangen war, seine Wut an anderen auszulassen. Gerichtsmediziner Ross sah auf Quimbys Leiche hinunter und untersuchte das Herz des Mannes. Es sah normal aus für einen Mann seines Alters. Ross lächelte. Es wies keine Anzeichen für das Böse auf, das Quimby in sich getragen hatte. Keins der Mörderherzen, die Ross untersucht hatte, hatte je welche aufgewiesen.
Und dann sah sich Ross Quimbys Lungen an.
Merkwürdig, dachte er. Warum sind die Blutzellen in seinen Lungen geplatzt?
Ross beschloss, Proben des Wassers aus Quimbys Lunge zu nehmen und ins Labor zu schicken.
Vielleicht gibt es eine gute Erklärung dafür, dachte er. Die Wissenschaft wird mir die Antwort liefern, wie sie es immer tut.
Teil II
19
Nick saß an seinem Schreibtisch und hatte acht Aktendeckel vor sich, von denen sieben die Geschichte eines Lebens enthielten, das Todd Quimby gewaltsam beendet
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