Beuteschema: Thriller (German Edition)
Nicky. Du musst mir einen Gefallen tun. Heute. Und ich zahle dir, was du haben willst.«
Claire glaubte, zu träumen. Die gedämpften Geräusche des Krankenhauses, die Erschöpfung, die lausige Matratze, all das brachte Erinnerungen an ihre Assistenzarztzeit zurück, wenn sie sich in den frühen Morgenstunden in ein leeres Zimmer geschlichen hatte, um sich ein Viertelstündchen aufs Ohr zu legen.
Doch als sie die Augen aufschlug und der Nebel sich löste, erkannte sie, dass sie diesmal die Patientin war.
» Hallo, Claire.«
Benommen wandte sie den Kopf. Dr. Curtin saß in Sweatshirt und Jeans in einem Sessel an der Wand. Claire versuchte, sich aufzusetzen, da sie glaubte, vorzeigbar aussehen zu müssen. Curtin stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter.
» Nicht«, sagte er in der sanftesten Stimme, die sie je von ihm gehört hatte. » Sie müssen ruhen.«
» Was ist passiert?«, brachte Claire heraus.
» Sie standen unter Schock, als man Sie brachte«, sagte Curtin. » Deshalb habe ich Sie aufgenommen.«
» In der psychiatrischen Station?«
» In der allgemeinmedizinischen«, sagte Curtin. » Niemand von uns will, dass Sie eine Aufnahme in die Psychiatrie in Ihren Unterlagen stehen haben.«
Claire nickte. » Wie lange war ich weg?«
» Etwa sechs Stunden«, sagte Curtin. » Ich habe Ihnen Arivan und ein Schlafmittel gegeben.«
» Ian…«
Curtin nickte und nahm ihre Hand. » Ich habe seine Eltern angerufen. Wir kümmern uns um die Begräbnisvorbereitungen.«
Aus irgendeinem Grund sah ihr Mentor anders aus. Hager, ausgezehrt. Ians Tod forderte offensichtlich auch von ihm seinen Tribut.
» Alles in Ordnung mit Ihnen, Doktor?«
» Ja, ja, mir geht es gut. Im Augenblick mache ich mir viel mehr Sorgen wegen Ihnen.«
Curtin drückte zärtlich ihre Hand.
Er kann durchaus mitfühlend sein, wenn er will, dachte sie.
» Claire, bitte hören Sie mir zu. In all den Jahren, in denen ich diese Tätigkeit mache, hat nie einer meiner Stipendiaten so viel auf sich genommen, um nicht nur einem Patienten zu helfen, sondern auch, um andere vor ihm zu schützen. Ich halte mir viel auf meine Menschenkenntnis zugute, vor allem, was meine eigenen Studenten betrifft, aber ich hätte mich, was Sie angeht, nicht gründlicher irren können.«
Claire sah ihn fragend an.
» Sie haben mich des Irrtums überführt. Und das kommt nicht oft vor, wie Sie sicherlich wissen.«
Ein mattes Lächeln trat auf Claires Gesicht. » Zumindest räumen Sie das ein.«
Es war das erste Mal, dass sie so etwas wie Humor im Gespräch mit Curtin versuchte, und er musste lächeln.
» Sie müssen eine Weile aussetzen. Vielleicht sogar das restliche Jahr.«
» Aber… aber dann gerate ich in Rückstand«, stammelte Claire.
» Machen Sie sich deshalb keine Sorgen«, versicherte Curtin. » Sie können nächstes Jahr wiederkommen, oder das Jahr darauf, wann immer Sie wollen. Solange ich dieses Programm leite, wird ein Platz für Sie frei sein. Und ich könnte nicht stolzer sein, Sie als Studentin und Kollegin zu haben.«
Claire wusste nicht, was sie sagen sollte. Curtin spürte es und stand auf, um zu gehen.
» Ich stelle Ihre Entlassungspapiere aus. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie mich an.«
» Doktor?«
» Ja?«
» Danke«, sagte Claire. » Für alles.«
Curtin nickte auf eine Weise, dass sich Claire tatsächlich besser fühlte.
» All das tut mir sehr, sehr leid, Claire. Sie können sich nicht einmal vorstellen, wie sehr.« Er senkte den Blick, dann sah er sie wieder an. » Sagen Sie Bescheid, wenn Sie etwas brauchen.«
Er drehte sich um und ging hinaus.
» Dr. Curtin?«, rief sie ihm nach.
Er fuhr herum. » Ja?«
» Eine Sache gibt es…«
Claire öffnete die Tür zu ihrer Wohnung und wurde von Furcht gepackt, als sie hineinging.
» Es ist im Schlafzimmer«, sagte sie.
» Dann wäre es vielleicht besser, wenn ich zuerst einen Blick hineinwerfe, meine Liebe«, sagte Dr. Lois Fairborn freundlich.
Claire nickte. Sie war froh, dass Fairborn dabei war. Nach Hause zu kommen und das Schlachthaus aufräumen zu müssen, das ihr Schlafzimmer war, hätte sie nicht durchgestanden. Sie hatte Curtin gefragt, ob er dafür sorgen konnte, dass Fairborn sie zu ihrer Wohnung begleitete. Curtin hatte es nicht nur zugesagt, sondern versprochen, selbst mitzukommen, falls Fairborn sich weigerte.
Was Fairborn natürlich nicht getan hatte. Der Vampir hatte in der Folge ihrer Therapiesitzungen einen ziemlichen Narren an Claire gefressen und
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