Beuteschema: Thriller (German Edition)
rasch zurücklegte.
Aber als er vor der Tür ankam, sah er, dass das Namensschild entfernt worden war.
Er klopfte und wartete ein paar Sekunden auf eine Antwort. Es kam keine.
Er drehte den Türknopf; die Tür war nicht verschlossen, doch er hatte nicht mit dem gerechnet, was er sah, als sie aufging.
Das Büro war leer bis auf einen geräumten Schreibtisch und zwei Stühle. Als wäre nie jemand hier gewesen.
Als wäre Claire aus seinem Leben getilgt worden.
Er wusste auch jetzt noch nicht genau, was ihn dazu getrieben hatte, sie aufzusuchen. Doch aus irgendeinem Grund musste er es tun.
Als er in das leere Büro blickte, dämmerte ihm dieser Grund.
Sein ganzes Leben lang war Nick von Freunden umgeben gewesen, von seiner Familie, seiner Frau, ehe sie in den Tiefen ihrer Depression versank. Von der Bruderschaft seiner Polizeikollegen.
Dr. Mangones Versprechen, seinen Zustand publik zu machen, änderte alles. Seine Frau war tot. Seine Freunde würden es nicht verstehen. Und seine Kollegen bei der Polizei würden ihn dafür verfluchen, dass er ihr Leben wegen seiner schwindenden Sehkraft in Gefahr brachte. Sie würden ihm die Schuld an dem geben, was seinem jungen Partner Wessel in der Vorwoche auf den U-Bahn-Schienen widerfahren war.
Und sie hätten recht.
» Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, ertönte eine Stimme hinter ihm. Er fuhr herum.
» Dr. Curtin«, sagte Nick.
» Detective…?«, riet Curtin.
» Lawler. Nick Lawler«, sagte Nick und streckte die Hand aus. Curtin ergriff sie.
» Ich nehme an, Sie suchen nach Dr. Waters«, sagte Curtin. » Geht es noch um den Fall?«
» Ich muss nur alles abschließen«, sagte Nick. » Und ich hatte noch ein paar Fragen.«
» Wie Sie sehen, ist Dr. Waters nicht mehr bei uns.«
» Was ist passiert mit ihr?«, fragte Nick.
» Sie wissen, was passiert ist«, erwiderte Curtin umgehend. » Sie waren dabei, nicht wahr?« Es klang eine Spur zu anklagend für Nicks Geschmack.
» Ja, ich weiß.«
» Dann wissen Sie auch, was sie durchgemacht hat«, sagte Curtin. » Dr. Waters setzt den Rest des Jahres aus. Sie wird nächstes Jahr im Juni wieder zu uns stoßen.«
Nick hatte nicht die Absicht, so lange zu warten. » Können Sie mir sagen, wie ich sie erreiche?«, fragte er.
» Das Krankenhaus gibt keine Informationen über Patienten oder Angestellte heraus.«
Nick dachte darüber nach. Der Mann hatte keinen Grund, sich wie ein Arschloch aufzuführen.
» Hören Sie, Doktor«, begann er, » ich weiß nicht, inwieweit Sie mich für das verantwortlich machen, was Dr. Waters widerfahren ist, aber ich habe nur meinen Job gemacht, und genau das versuche ich jetzt auch wieder.«
» Todd Quimby ist tot, Detective«, sagte Curtin. » Wobei könnte Ihnen Dr. Waters jetzt noch helfen?«
» Ich brauche ein paar Aussagen von ihr«, sagte Nick so neutral wie möglich, » damit ich diese Fälle ein für alle Mal abschließen kann.«
Ob Curtin seine Lüge durchschaute, war nicht klar. Vielleicht hatte er einfach Mitleid, denn der harte Gesichtsausdruck des Arztes wurde weicher.
Vielleicht sieht er, dass ich Hilfe brauche.
» Kommen Sie mit in mein Büro«, sagte Curtin. » Ich lasse Ihnen von meiner Assistentin geben, was Sie brauchen.«
» Danke, Doktor«, sagte Nick sofort.
» Unter einer Bedingung«, sagte Curtin. » Falls Sie jemand danach fragt, haben Sie die Informationen nicht von mir bekommen.«
20
Unverkennbar zog ein Gewitter auf. Die Luft war vollgesogen mit Feuchtigkeit, und vom Lake Ontario her türmten sich zornig graue Wolken auf.
Genau wie an dem Tag, an dem Amy verschwand.
Claire eilte mit einem großen Becher Kaffee, den sie in Clancy’s Diner an der Ecke der Park Avenue gekauft hatte, durch die Burt Street. Die Arbeitskleidung der Bedienungen und die roten Bürgersteige hatten sich seit Claires Kindertagen nicht verändert, aber das löste nur Unbehagen bei ihr aus.
Nichts hat sich hier verändert, dachte sie und lief, um das Haus ihrer Eltern zu erreichen, bevor es zu schütten anfing. Dasselbe Haus, vor dem sie mit Amy an jenem Tag gespielt hatte, als ihre beste Freundin entführt wurde. Ein Sommergewitter in Rochester entwickelte sich nicht langsam. Die ersten Tropfen waren immer groß, und sie kamen immer hart herunter.
Sie begannen eben zu fallen, als Claire den Schlüssel in der Eingangstür des stattlichen Hauses im Kolonialstil in der Burt Street umdrehte und hineinschlüpfte. Kaum war sie drinnen, erhellte ein Blitz den Himmel. Ein
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