Beuteschema: Thriller (German Edition)
erwartete niemanden.
Claire spähte aus dem Wohnzimmerfenster. Der Regen hatte nachgelassen, es goss nicht mehr, sondern tröpfelte nur noch. Ein Toyota Camry, den sie vorher noch nie gesehen hatte, parkte am Straßenrand. Es handelte sich also um keine Lieferung.
Zögernd schlich sie zur Haustür. Ihre Eltern hatten nie ein Guckloch anbringen lassen, da sie die wunderbare Eichenoberfläche nicht beeinträchtigen wollten.
» Wer ist da?«, fragte Claire.
» Polizei«, kam die gedämpfte Antwort.
Der Wagen vor dem Haus war wohl kaum ein Polizeiauto. Ihre Eltern hatten etwas von einer Welle von Einbrüchen zur Mittagszeit erwähnt, unter der die Gegend litt. War das jemand, der nur sehen wollte, ob das Haus leer war?
Auch wenn es kein Guckloch gab, war eine Reihe von Glasscheiben in den oberen Teil der Tür eingesetzt, zu hoch, als dass Claire oder irgendwer durchsehen konnte. Aber Claire konnte die Scheiben benutzen. Sie streckte eine Hand in die Höhe und klopfte daran.
» Halten Sie Dienstmarke und Ausweis vor das Glas«, rief sie.
Sie hörte Metall leicht an das Glas schlagen und blickte nach oben. Nun machte Claire große Augen.
Die Dienstmarke, die sie sah, war nicht die eines Polizisten aus Rochester. Es war das goldene Abzeichen eines Detectives der New Yorker Polizei. Claire hatte die Nummer oft genug gesehen, um zu wissen, wem sie gehörte. Sie entriegelte die Tür und zog sie auf.
Nick Lawler stand davor, und ihm schien nicht wohl in seiner Haut zu sein.
» Ihr Haar ist wieder wie früher«, sagte er.
Claire drehte unbewusst eine Strähne ihres Haars, das sie tatsächlich zu seiner natürlichen Farbe zurückgefärbt hatte. » Scharf beobachtet, Detective Lawler«, erwiderte sie.
Sie sahen einander einen verlegenen Moment lang an. Claire wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, ihn zu sehen, oder entsetzt sein angesichts der Gründe, die ihn womöglich hierher führten.
» Sie befinden sich ein bisschen außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs, nicht wahr?«, fragte sie, um das Schweigen zu brechen.
» Ich muss mit Ihnen reden.«
» Über den Fall?«
» Der Fall ist abgeschlossen.«
» Wie haben Sie mich gefunden?«
» Ich bin Detective.« Er strich sich einen Wassertropfen von der Nase.
» Es ist irgendwie feucht hier draußen.«
Claire wurde schlagartig rot. » Entschuldigung«, sagte sie und machte einen Schritt zur Seite. » Kommen Sie herein.«
Nick trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er legte seinen Regenmantel ab, und darunter kamen Jeans und ein braunes Poloshirt zum Vorschein.
» Tragen das Polizisten, wenn sie reisen?«, fragte Claire.
» Auf offiziellen Reisen nicht.«
» Dann sind sie also nicht in offizieller Funktion hier?«
» Nicht direkt«, sagte er und kniff die Augen zusammen, um sich an die geringere Lichtstärke zu gewöhnen.
» Sie sind fünfhundert Kilometer gefahren, nur um zu plaudern.«
» Ich bin geflogen.«
Claire musste unwillkürlich lächeln. Er erinnerte sie an einen nervösen Highschool-Jungen, der versuchte, sie um ein Rendezvous zu bitten. Fehlten nur die Pickel.
» Sie hatten es also eilig herzukommen«, verfiel Claire automatisch in ihren Psychiater-Modus.
» Sie machen es mir nicht leicht. Doktor.«
» Sind Sie wegen professioneller Hilfe gekommen?« Claire wies mit einem Nicken in Richtung Wohnzimmer, und sie gingen hinein. Claire setzte sich auf das Sofa, und Nick nahm in dem straffen Ledersessel gegenüber Platz.
» Ich sagte, ich muss mit Ihnen reden, oder nicht?«, fragte er gereizt.
» Nur damit ich recht verstehe«, sagte Claire. » Sie sind von New York hierhergeflogen, weil Sie einen Psychiater brauchen.«
Der Ausdruck reiner Verwirrung, der über Nicks Gesicht huschte, verriet ihr, dass sie genau richtig lag.
» Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er.
» In welcher Hinsicht?«
» Überfallen Sie alle Ihre Patienten so aus dem Hinterhalt?«, fragte Nick.
Claire ließ ihn vom Haken. » Erzählen Sie mir doch einfach mal, was los ist.«
Stockend begann Nick seine Leidensgeschichte wegen Dr. Mangones Ultimatum anzustimmen. Claire hörte aufmerksam, einfühlsam zu, bis er zum Ende gekommen war.
» Dann haben Sie also noch Zeit, bis Dr. Mangone seine… Drohung wahrmacht.«
» Ich habe ihn gefragt, ob er mir immer noch einen Monat geben würde, um mir über meine Situation klar zu werden, wenn ich mir ein paar Wochen freinehme.«
» In anderen Worten«, folgerte Claire, » Sie sehen einem Lebenslänglich
Weitere Kostenlose Bücher