Beutewelt 02 - Aufstand in der Ferne
wirklich gern gehabt hätte.
Er musste an Tina denken, die Studentin, seine letzte Freundin aus Berlin. Damals arbeitete er noch als Aushilfe im Produktionskomplex 42b.
Sie war nach einem halben Jahr Beziehung bei ihm eingezogen, in den schäbigen Wohnblock, in dem er hausen musste. Aber sie hatten sich bald nichts mehr zu sagen und merkten schnell, dass sie nicht zueinander passten. Man nervte sich gegenseitig. Eines Tages war Tina weg. Danach war Frank erst einmal sehr lange allein.
Der folgende Monat änderte alles. Zumindest auf der Bühne der großen Weltpolitik. Hatte man in den letzten Monaten von den politischen Spannungen zwischen dem Weltverbund und dem rebellischen Staat Japan so gut wie überhaupt nichts mehr gehört, so begann in den gesteuerten Medien jetzt ein regelrechter Großangriff.
Die Nachrichtensender kannten nur noch ein einziges Thema: Japan. Japan hier und Japan dort.
Stundenlange Berichte über die japanischen Aufrüstungsbemühungen und die unterirdischen Bauten unter dem Ballungsgebiet um Tokio herum bestimmten das Abendprogramm. Präsident Matsumoto hatte riesige Bunkerhallen, woraus die Medien „unterirdische Rüstungsanlagen“ machten, graben lassen, damit die Zivilbevölkerung im Falle von Bombenangriffen dorthin evakuiert werden konnte. Selbstverständlich konnte nur ein Bruchteil der Einwohner der „Megapolis“, des dicht besiedelten Kerngebiets der japanischen Hauptinsel, im Notfall dort untergebracht werden, aber es stellte zumindest einen Versuch dar, bei einem kommenden Krieg nicht vollkommen unvorbereitet zu sein.
Die Fernsehsender geiferten vor sich hin und sahen in den subterranen Anlagen nur Rüstungsfabriken und Atomwaffenlager. In ihren Augen der Beweis, dass Japan einen Krieg gegen den Rest der Welt plante.
Die Filmstudios von Hollywood brachten pünktlich zum 01.03.2031 den Kriegspropagandafilm „Nacht über Yokohama“ in die Kinos. Frank und Alfred luden ihn sich auf einer illegalen Internetseite herunter und staunten nicht schlecht über das bösartige Ausmaß der Hetze gegen das Inselvolk. In dem Film überfielen die Japaner, allesamt kriegslüsterne Psychopathen und Militaristen, das friedliebende China und metzelten Frauen und Kinder nieder.
Ihr Präsident, Marusaki Kokushi, der mit blitzenden Augen und irrem Blick die Weltherrschaft verlangte, eröffnete den Krieg gegen alles und jeden außerhalb der japanischen Inseln. Er sammelte als Hobby Totenschädel und ließ sich das Fleisch seiner Feinde von seinen finsteren Dienern als Delikatesse servieren.
Über seine gekünstelten Wutausbrüche, die Brüllanfälle und seinen albernen Feldherrenmantel konnte man sich eigentlich eher amüsieren, aber dennoch schürte dieser groß angekündigte Kriegsfilm überall die Aversionen gegen das ostasiatische Volk.
Grausame Gewaltszenen und zähnefletschende japanische Mörderbanden fielen über die umliegenden Länder und das entsetzte Kinopublikum her. Die Japaner besaßen in dem Film zudem eine gespenstische Technologie, welche sie scheinbar speziell zur Massenvernichtung entwickelt hatten.
Der Held des Films war Sergeant Steve Williams, ein Elitesoldat der GCF, der am Ende den verrückten japanischen Diktator glücklicherweise doch noch eliminieren konnte und die halbe japanische Armee mit seiner Elitetruppe im Alleingang niedermetzelte.
Frank und Alf verzogen ihre Gesichter und schüttelten den Kopf, als der Abspann des Streifens begann. So eine primitive Hetzpropaganda hatten sie lange nicht mehr gesehen.
„Oh, Mann! Sergeant Williams rettet die Welt! Was für ein Schwachsinn“, stöhnte Bäumer und schaltete das Gerät ab.
„Aber der haut mit einem Schlag mindestens zehn Japaner um“, gab Frank mit einem verächtlichen Lächeln zurück. „Vielleicht gibt es den ja wirklich. Die Geheimwaffe der GCF, ha, ha!“
„Jedenfalls hat der Film in Japan eine wahre Protestwelle ausgelöst. Selbst Matsumoto, und er ist ja als ‚verrückter Tyrann’ durchaus gemeint, hat eine Regierungserklärung abgegeben und verlangt ein weltweites Verbot dieses üblen Machwerks. Habe ich jedenfalls im Internet gelesen. Aber das wird nichts bringen“, erzählte Alf und winkte ab.
„Das ist jedenfalls der bösartigste Streifen, den ich seit langem gesehen habe“, kam es von Kohlhaas.
Anschließend lasen die beiden noch einige Artikel bezüglich der japanischen Reaktionen auf „Nacht über Yokohama“ und gingen dann irgendwann ins Bett.
Die nächste Russischstunde
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