Beutewelt 03 - Organisierte Wut
Polizei diese Veranstaltung vielleicht sogar recht gewesen war.
Immerhin hatte sich ihr Gegner offen gezeigt und die Hubschrauber hatten genügend Bilder gemacht, um in den nächsten Tagen eine regelrechte Verhaftungswelle über Hunderte von Veranstaltungsbesuchern hereinbrechen zu lassen.
Frank interessierte das in diesem Augenblick nicht. Er fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, da ihn Julia wie einen dummen Jungen hatte stehen lassen. Dieser Viktor war ihm jetzt schon so sympathisch wie eine abgefrorene Zehe. Er redete für den Rest der Fahrt kein einziges Wort mehr mit Julia und schmollte vor sich hin.
Die Besucher aus Ivas kamen heil in ihrem Dorf an. Sie waren vorsichtshalber so gut es ging über Landstraßen gefahren und hatten die bedeutenderen Routen gemieden. Das hatte zwar viel Zeit gekostet, sie aber vor Polizeikontrollen bewahrt.
Andere Veranstaltungsteilnehmer hatten weniger Glück. Mehrere Dutzend Autos wurden im weiteren Umkreis von Schtewatj von der Polizei angehalten und es gab die ersten Verhaftungen.
Die Beamten hatten keineswegs vorgehabt 7000 teils gewaltbereite und bewaffnete Anhänger der Freiheitsbewegung am Veranstaltungsort selbst anzugreifen, sondern hielten, nachdem sich die Masse aufgelöst und in verschiedene Richtungen in Marsch gesetzt hatte, eine Reihe von verdächtigen Fahrzeugen auf dieser oder jener Straße an und zogen auf diese Weise, im wahrsten Sinne des Wortes, viele Anhänger Tschistokjows aus dem Verkehr. Doch das war erst der Anfang …
Während Wilden und der Anführer der Rus noch glaubten, den oft lustlos wirkenden Behörden erneut ein Schnippchen geschlagen zu haben, schlugen diese nun mit aller Macht zu und führten in den folgenden Wochen eine massive Verhaftungswelle durch.
GSA-Agenten, die teilweise aus den Verwaltungssektoren „Europa-Mitte“ und „Amerika-Nord“ eingeflogen worden waren, trieben die weißrussische Polizei nun zu eifrigeren Taten an und berieten sie im Kampf gegen die politischen Dissidenten.
Über die zahlreichen Autokennzeichen, welche die Polizeihubschrauber gefilmt hatten, konnte bereits eine große Zahl von oft unerfahrenen, jungen Besuchern der illegalen Massenkundgebung ermittelt werden. Eine Welle von Hausdurchsuchungen und Verhaftungen erschütterte ganz Weißrussland. Wer in die Fänge der Behörden geriet, den erwarteten lange Verhöre und oft auch Folterungen.
Bis Ende September wurden allein 50 Gruppenführer und Zellenleiter der Freiheitsbewegung der Rus festgenommen. Wem eine tragende Rolle in der Organisation nachgewiesen werden konnte, den erwartete eine sehr lange Haftstrafe oder gar die Liquidierung.
Artur Tschistokjow verfiel aufgrund dieses unerwarteten Gewitters in ein tiefes Loch aus Angst und Depression. Er verließ seine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Pinsk so gut wie überhaupt nicht mehr und hatte fast nur noch zu seinem besten Freund Peter Ulljewski Kontakt, welcher ihn gelegentlich in tiefster Nacht besuchte.
Die Freiheitsbewegung der Rus erhielt jetzt ein Gegenfeuer, mit welchem sie nicht einmal ansatzweise gerechnet hatte, und drohte sogar in sich zusammen zu brechen.
Schlimmer geht’s immer …
Die Medien im gesamten Verwaltungssektor „Europa-Ost“ berichteten mittlerweile fast täglich über immer neue Erfolge im „Kampf gegen den Terror“, also gegen Artur Tschistokjow und seine Anhänger.
In der ersten Oktoberwoche wurde es noch unangenehmer. Scheinbar hatten Spitzel wesentlich mehr über die Struktur der Freiheitsbewegung herausgefunden, als ihrem Leiter lieb war und auch die geheime Druckerei konnte von der Polizei ausfindig gemacht werden.
Sub-Gouverneur Medschenko nahm die „allgegenwärtige Terrorbedrohung“ zum Anlass, die größeren Städte Weißrusslands mit noch mehr Kameras und neuartigen Scanautomaten überwachen zu lassen. Innerhalb von nur einem Monat war die Freiheitsbewegung der Rus von den Sicherheitsbehörden zu einem desolaten Haufen, deren Anführer man erfolgreich isoliert hatte, zusammengeprügelt worden.
Die Bürger, welche Artur Tschistokjow Sympathien entgegenbrachten, noch über Arbeitsplätze verfügten oder sogar eine Familie hatten, zogen sich nun entsetzt ins Privatleben zurück. Wer schon einmal bei einer Versammlung der Rus gewesen war, der hoffte jetzt, dass davon keine Behörde etwas mitbekommen hatte, sonst bedeutete das Arbeitsplatzverlust, Scanchip-Sperrung oder Inhaftierung.
Auch Frank und die anderen aus Ivas waren niedergeschmettert und
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