Beutewelt 03 - Organisierte Wut
anzetteln wollten. Diese verdammten Aserbaidschaner ließen sie in Ruhe!“
„Wussten die, dass ihr bei der Freiheitsbewegung seid?“, erkundigte sich Artur und strich sich wütend durch die Haare.
„Nein, natürlich nicht! Ein paar von unseren Männern ärgerten sich über das Verhalten der Polizei so sehr, dass sie die Beamten anbrüllten. So kam es zu einem kurzen Handgemenge und die Bullen schossen auf einmal drauf los. Mein bester Freund wurde im Gesicht getroffen und starb sofort, ein anderer bekam einen Bauchschuss und verblutete kurz darauf.“
„Ja, und dann?“, hakte Artur nach.
„Ich selbst war ja nicht dabei. Die anderen aus Moghilev haben es mir so erzählt. Der Rest der Gruppe flüchtete.“
„Was hat das mit diesem Khazarow zu tun?“, schnaubte Peter von der Seite und schubste Malkin erneut.
„Verdammt! Sie haben meinen besten Kumpel Alexander erschossen, mit dem bin ich aufgewachsen. In den folgenden Tagen waren alle von uns zornig bis in die Haarspitzen. Einige der jungen Leute forderten einen Rachefeldzug. Irgendwer musste dafür bezahlen…“
„Und dann hast du angeordnet, den Stadtgouverneur abzuknallen, oder wie?“, schrie Tschistokjow mit hoch rotem Gesicht.
„Nein, das haben drei von unseren Jungs auf eigene Faust gemacht!“
„Verdammter Mist!“, grollte Artur und trat gegen eine Holzkiste, die mit einem lauten Knacken zerbarst.
„Ich sollte diese Idioten persönlich abknallen. Seit wann werden solche Aktionen ohne meinen Befehl gemacht? Seit wann werden solche Aktionen überhaupt von Leuten meiner Organisation gemacht? Wir sind Freiheitskämpfer, politische Aktivisten und keine Terroristen!“, keifte der blonde Mann.
„Jetzt werden sie jeden von uns jagen wie einen räudigen Hund. Stellt euch darauf ein“, brummte Peter Ulljewski, winkte ab und drehte den anderen den Rücken zu.
Arturs bester Freund und langjähriger Mitstreiter hatte die Situation richtig eingeschätzt. In den folgenden Wochen berichteten die Medien fast täglich von neuen Verhaftungen und es wurde noch schlimmer.
Die drei jungen Attentäter aus Moghilev, welche schnell gefasst worden waren, wurden in einem spektakulären Schauprozess verurteilt und wenige Tage später hingerichtet.
Auch viele gewöhnliche Bürger, welche in Artur Tschistokjow wirklich so etwas wie einen Reformator oder gar Befreier gesehen hatten, waren nun verunsichert, denn die Medien stellten ihn unablässig als Chef einer „Mörderbande“ oder als „Weißrusslands gefährlichsten Terroristen“ dar. Letztendlich lösten sich einige Teile der Freiheitsbewegung der Rus unter diesem enormen Druck auf oder verfielen langsam.
Artur Tschistokjow war von Peter für die nächsten zwei Monate an einen geheimen Ort irgendwo im Norden des Landes gebracht worden und verließ sein Versteck so gut wie nie.
Derweil lebten die Einwohner von Ivas weiter vor sich hin und waren froh, dass bisher scheinbar niemand den wahren Charakter ihres Dorfes erkannt hatte. Auch Frank verfiel in dieser Zeit in eine gewisse Lethargie und Traurigkeit. Bald stand der Winter des Jahres 2033 vor der Tür und die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel.
Gelegentlich erkundigte sich Kohlhaas bei Wilden, ob er etwas von Tschistokjow gehört hatte, doch dieser zuckte stets betrübt mit den Achseln. Die einzig positiven Meldungen waren inzwischen die Nachrichten aus Japan, welche der Dorfchef ab und zu erhielt, wenn er mit Herrn Taishi telefonierte. Hier, im fernen Osten, hatte Präsident Matsumoto sein Land nach besten Kräften aufgebaut und seine Herrschaft gefestigt. Das war der einsame Lichtblick in diesen dunklen Tagen.
Ein Mitglied der Freiheitsbewegung der Rus fand Anfang Dezember allerdings seinen Weg nach Ivas. Es war nicht Artur Tschistokjow, der sich nach wie vor versteckt hielt und hoffte, dass der Sturm wieder abflauen würde, sondern Viktor, der gut aussehende, athletische Leiter der Gruppe von Grodno. Er besuchte die Familie Wilden, mit besonderer Betonung auf Julia, auf eigene Faust.
Dem Dorfchef war der junge Mann zwar sympathisch, aber er war trotzdem nicht sonderlich begeistert davon, dass jetzt noch Besucher von außerhalb in das Dorf kamen. Seine Tochter hingegen war es schon. Sie hatte Viktor extra eingeladen, so wie sie es ihm damals bei der Veranstaltung in Schtewatj versprochen hatte.
Frank Kohlhaas sah die beiden eines Tages laut schwatzend und lachend durch das Dorf schlendern und blieb mit offenem Munde stehen. Er hatte
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