Beverly Barton, Hexenopfer
an seine nackte Brust. Und ihr langes, seidiges schwarzes Haar fiel über seine Schulter. Er holte tief Luft, löste Genny behutsam von sich und legte sie sanft wieder aufs Bett.
Sie hatte gesagt, es sei nicht nur ein Traum gewesen. Was bedeutete das? Irgendein Irrer hatte in der Gegend, in der Genny wohnte, ein junges Mädchen draußen im Wald aufgeschlitzt. Gennys Vetter war Sheriff und hatte ihr über den grauenvollen Mord wahrscheinlich mehr als nötig erzählt. Zweifellos hatte sie den jüngsten Mord im Kopf gehabt, als sie zu Bett gegangen war, und ihr Unterbewusstsein hatte einen tückischen Albtraum daraus gemacht.
Noch immer hatte er den panischen Aufschrei im Ohr, der ihn geweckt hatte. Genny hatte Angst gehabt. Doch sobald sie aufgewacht war und erkannt hatte, dass sie nicht nur in Sicherheit, sondern auch nicht allein war, hätte sie sich rasch erholen sollen. Das war nicht geschehen. Sie war ohnmächtig geworden, als wäre sie aus irgendeinem Grund vollkommen ausgelaugt.
Während sie dort lag, die Augen geschlossen, langsam und gleichmäßig atmend, betrachtete er ihr Gesicht. Das Gesicht eines Engels. Sein Blick streifte nach unten und kam an ihren Brüsten zum Halt, die sich mit jedem Atemzug hoben und senkten. Ihre Brustwarzen waren fest und zeichneten sich als kleine Spitzen unter dem weichen Baumwollstoff ihres langärmeligen Schlafanzug-Oberteils ab.
Dallas musste schlucken. Jetzt war nicht die Zeit, heiß zu werden und sich von einem netten Arsch erregen zu lassen. Zwei Sekunden, nachdem ihm dieser Gedanke durch den Kopf geschossen war, verzog er das Gesicht zu einer Grimasse. Warum zum Teufel hatte er das getan – hatte das, was ihn an dieser Frau so anzog, auf reine Begierde reduziert? Das war bei ihm zu einer verhängnisvollen Schwäche geworden. Immer wenn er sich mehr als nur beiläufig für eine Frau interessierte, redete er sich ein, es habe nichts mit Emotionen zu tun, sondern schlicht mit normaler männlicher Libido.
Genny stöhnte leise. Ihre Augenlider flatterten.
Dallas streichelte ihre Wange.
Sie öffnete die Augen und schaute zu ihm auf. Die Angst, die er kurz zuvor bemerkt hatte, war nicht mehr da, an ihre Stelle war Müdigkeit getreten.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Müde. Sehr müde.«
»Das verstehe ich nicht. Warum nimmt ein Albtraum Sie derart mit?«
»Ich bin danach immer sehr schwach.«
Sie versuchte, die Hand nach ihm auszustrecken. Als er merkte, wie schwer ihr das fiel, ergriff er ihre Hand und hielt sie an seine Brust.
Er begriff es noch immer nicht. Dass ein Albtraum jemanden wie Genny derart auslaugte, musste sehr ungewöhnlich sein.
»Was kann ich tun, um Ihnen zu helfen?«
»Bleiben Sie hier. Bitte. Bis ich mich erholt habe.«
»Ist Ihnen das schon mal passiert?«
Sie nickte. »Schon oft.«
»Wie lange wird es …«
»Ein paar Stunden.«
»Ruhen Sie sich aus. Ich bleibe hier.«
»Dallas?«
»Ja?«
»Probieren Sie es von Zeit zu Zeit mit den Telefonen. Jacob muss es erfahren.«
»Das mit Ihrem Traum?«
Sie nickte. »Das mit dem zweiten Opfer.«
Wieder lief Dallas das Blut kalt durch die Adern. Verdammt! Ein halbes Dutzend wilder Gedanken jagten ihm durch den Kopf. Das zweite Opfer … das zweite Opfer.
»Genny?«
Als sie nicht reagierte, schaute er auf sie hinab und merkte, dass sie eingeschlafen war. Er legte ihren Arm neben sie, erhob sich leise vom Bett und ging im Raum auf und ab. Drudwyns wache Augen folgten jeder seiner Bewegungen.
»Was ist los mit ihr, Junge?«, fragte er den Hund.
Drudwyn stand auf, kam zu ihm und blieb an Dallas’ Seite stehen. Zwei besorgte Blicke begegneten sich, hielten sich fest und tauschten ein eigenartiges Gefühl des Verständnisses aus. Beide würden Genevieve Madoc mit ihrem Leben beschützen.
»Verdammt«, fluchte Dallas leise. Diese Frau mit dem Leben beschützen? Woher war dieser Gedanke gekommen? Was war nur los mit ihm? Er kannte sie kaum, hatte sie erst vor ein paar Stunden kennengelernt.
Dallas schob die Spitzenvorhänge vor den langen, schmalen Fenstern zur Seite und blickte hinaus. Das Licht der Morgendämmerung kroch über den Horizont und verbreitete einen rosa Schimmer über den dunkelgrauen Himmel. Der Schneesturm musste sich irgendwann in der Nacht gelegt haben, doch so weit er es im Halbdunkel erkennen konnte, lag eine weiße Decke über allem, so weit das Auge reichte.
Er ließ den Vorhang wieder zufallen, schloss die Augen und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er
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