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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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ging, als würde sie schlafwandeln, beobachtete Cindy, als ihr Blick Faith Sellick folgte, die die Treppe vor ihrem Haus hinabschwebte und Richtung Bürgersteig strebte. Elvis rannte ihr entgegen, um an ihren Fersen zu lecken.
    »Hallo, alter Junge«, sagte Faith abwesend.
    »Kommen Sie rein.« Cindy trat zurück, um Faith hereinzulassen.
    »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.«
    »Es ist mir ein Vergnügen.« Cindy führte Faith in die Küche und wies auf die vier Kiefernholzstühle, die um den rechteckigen Tisch standen. Faith ließ sich auf einen davon sinken und sah Cindy erwartungsvoll an. »Schwarz oder Kräuter?«, fragte Cindy, während Elvis es sich auf Faiths Füßen bequem machte.
    Für eine Weile sagte Faith gar nichts, und Cindy fragte sich schon, ob sie die Frage verstanden hatte. Sie wollte sie gerade wiederholen, als Faith endlich antwortete. »Kräuter«, sagte sie mit einem unvermittelten Lächeln, das nicht zu ihrem traurigen Blick passen wollte.
    »Ingwer-Pfirsich oder Pfefferminz?«
    »Pfefferminz.« Faith lachte, ein zartes Perlen, das klingelnd in der Luft nachhallte wie ein Windspiel.
    Cindy füllte den Kessel mit Wasser und setzte ihn auf, bevor sie sich wieder zu Faith umwandte. Sie dachte, dass die junge Frau sehr viel älter aussah, als sie war, eher vierzig als dreißig, und bemerkte auch die dunklen Ringe um Faiths Augen und
ihre bleiche Gesichtsfarbe. »Haben Sie letzte Nacht wenigstens ein bisschen geschlafen?«
    Faith nickte. »Ein wenig.«
    »Als junge Mutter hat man es nicht leicht.« Cindy dachte an Julia als Baby. »Als Mutter hat man es überhaupt nicht leicht«, fügte sie hinzu, als ihr einfiel, wie Julia jetzt war.
    »Die meisten Frauen scheinen keine Probleme damit zu haben.«
    »Da täuschen Sie sich aber.«
    »Ihre Mädchen sind so hübsch. Sie sind so wohl geraten.«
    »Danke.« Cindy faltete die Hände zu einem stummen Gebet.
    »Haben Sie sich viele Sorgen gemacht, als sie noch Babys waren?«
    »Natürlich.«
    »Ich mache mir ständig Sorgen um Kylie.«
    »Das ist vollkommen normal.«
    »Ich mache mir über alles Sorgen«, fuhr Faith fort, als hätte Cindy nichts gesagt. »Über seine Sicherheit, seine Gesundheit und darüber, ob er glücklich wird, wenn er größer ist.«
    »Über diese Dinge macht man sich wohl immer Sorgen. Auch später.« Wieder schweiften Cindys Gedanken zu Julia.
    »Ich meine, man muss sich doch nur anschauen, was heutzutage los ist auf der Welt. Terroristen, Selbstmordattentäter, AIDS, Armut, Kindesmissbrauch …«
    »Faith«, unterbrach Cindy die endlose Reihe von Katastrophen sanft, »Sie machen sich völlig verrückt, wenn Sie sich über all diese Dinge Sorgen machen.«
    »Wie sollte ich mir keine Sorgen machen? Ich muss doch morgens nur die Zeitung zur Hand nehmen.«
    »Dann lassen Sie sie einfach liegen.«
    »Aber man muss doch wissen, was passiert. Man kann doch nicht den Kopf in den Sand stecken.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sich dann nie etwas zum Besseren verändert.«

    »Und Sie meinen, sich ganz krank vor Sorge zu machen würde etwas zum Besseren verändern?«
    »Nein, aber man sollte sich der Lage bewusst sein.«
    »Das können Sie wieder machen, wenn Kylie anfängt durchzuschlafen.«
    »Es kommt mir einfach nicht richtig vor, ein Kind in eine Welt zu setzen, in der so viele schlimme Dinge passieren und es so viele böse Menschen gibt.«
    »Es gibt auch gute Menschen«, versuchte Cindy sowohl Faith als auch sich selbst zu trösten.
    »Ich versuche, ein guter Mensch zu sein.«
    »Sie sind ein guter Mensch.«
    Faith verzog das Gesicht, als hätte sie einen Krampf. »Ich bin keine besonders gute Mutter.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Kylie schreit dauernd.«
    »Er hat Koliken. Das hat nichts mit Ihnen zu tun.«
    »Ich versuche, ihn zu trösten. Ich füttere ihn. Ich halte ihn im Arm. Ich singe ihm sogar Lieder vor. Aber er weint immer weiter.«
    »Julia war als Baby genauso. Der Einzige, der sie beruhigen konnte, war Tom.«
    »Tom ist Ihr Ex-Mann?«
    »Ja.«
    »War er das vorhin? Mit der Rothaarigen?«
    »Das war er.«
    »Ist sie seine neue Freundin?«
    »Seine Frau.«
    »Ich glaube, Ryan hat eine Freundin«, sagte Faith nüchtern, als der Wasserkessel zu pfeifen begann.
    »Nein«, setzte Cindy an und hielt inne. Woher wollte sie wissen, ob Ryan eine Freundin hatte? »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie und beschäftigte sich mit der Zubereitung des Tees.

    »Ich erkenne es an seinen Augen.«
    »Was sehen Sie denn

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