Bevor der Abend kommt
jetzt?«, fragte Cindy, als sie weg waren.
»Versuch, dich zu entspannen«, riet ihr Ex-Mann ihr. »Ruf mich in Muskoka an, wenn du irgendwas hörst.«
»Du fährst in das Wochenendhaus?«, fragte Cindy ungläubig.
»Hier kann ich auch nichts machen.«
»Julia geht es gut«, sagte der Keks gähnend. »Sie ist ein großes Mädchen. Wahrscheinlich brauchte sie einfach ein bisschen Abstand von ihrer Mutter.«
»Würde bitte irgendwer dafür sorgen, dass diese Schwachsinnige mein Haus verlässt?«, sagte Cindy und blickte flehend von Tom zu Neil.
Das Gesicht des Kekses nahm eine beigefarbene Tönung an, die perfekt zu ihrem Outfit passte. Der Hund fing an zu bellen. »Ich denke, es ist Zeit zu gehen«, sagte Tom.
»Ja. Das kannst du ja ziemlich gut«, stimmte Cindy ihm halblaut zu.
Das Telefon klingelte. Tom und Cindy setzten sich gleichzeitig in Bewegung und stießen in der Küchentür zusammen, als beide nach dem Telefon griffen. »Hallo«, sagte Cindy, presste
den Hörer ans Ohr und warnte Tom mit Blicken, näher zu kommen.
»Was ist los?«, fragte ihre Mutter.
Cindy ließ enttäuscht die Schultern sacken. »Wie kommst du darauf, dass irgendwas nicht in Ordnung ist, Mom?«
Tom verdrehte die Augen zur Decke. Daher hatte Julia das also, dachte Cindy.
»Eine Mutter weiß immer, wenn irgendwas nicht in Ordnung ist«, sagte ihre Mutter, und Cindys Mut sank, als sie an Julia dachte.
»Wir gehen«, flüsterte Tom.
»Wer ist denn das?«, fragte ihre Mutter. »War das Tom?«
»Du bist wirklich erstaunlich, Mutter.« Cindy beobachtete, wie Tom den Keks aus der Haustür schob.
»Was macht er denn da? Jetzt weiß ich, dass irgendwas nicht in Ordnung ist.«
»Es ist gar nichts.«
»Ich komme sofort.«
»Nein, Mom! Mutter!« Sie ließ dem Hörer auf die Gabel fallen. »Scheiße!«
»Was ist los?«, fragte Neil gut gelaunt, als er in die Küche kam.
»Meine Mutter kommt vorbei. Entschuldige meine Wortwahl«, sagte sie, Toms Ermahnung noch unangenehm im Ohr.
»Was meinst du denn?«
Cindy unterdrückte den Impuls, ihn direkt auf den Mund zu küssen. »Du solltest jetzt wohl besser gehen.«
»Ich bleibe auch gerne.«
Und ich würde es mir sehnlich wünschen, dachte Cindy. »Ich glaube, für einen Tag hast du genug Mitglieder meiner Familie kennen gelernt«, sagte sie stattdessen und brachte ihn zur Tür. Dabei bemerkte sie, dass sein Körper ganz anders war als Toms. Beide waren etwa gleich groß und schwer; aber während Tom genau wie Julia eine Art hatte, alles in seinem Weg zu
überwältigen, war Neil eher wie Heather, lockerer und kompatibler. »Danke«, sagte Cindy, die gleichzeitig drängte und zögerte, sich von ihm zu verabschieden. Verdammt schlechtes Timing, dachte sie und sagte laut: »Ich glaube nicht, dass ich es ohne dich geschafft hätte.«
Er lächelte. »Ich wette, das sagst du zu all deinen Steuerberatern.«
Cindy strich ihm über die Wange. Neben ihr knurrte Elvis. »Das ist vielleicht doch alles ein bisschen mehr, als du haben wolltest, oder?«
»Ich ruf dich nachher an«, sagte er und tätschelte Elvis den Kopf.
Sie beobachtete, wie er rückwärts aus der Einfahrt setzte. »Ich werde nicht mit angehaltenem Atem darauf warten«, sagte sie wehmütig, als sein Wagen die Straße hinunter verschwand.
Erst jetzt bemerkte Cindy, dass sie beobachtet wurde. Sie wandte sich zum Haus ihrer Nachbarn. »Faith«, sagte sie und erwiderte das matte Lächeln der anderen Frau. »Ich hab Sie gar nicht gesehen. Wie geht es Ihnen?«
»Gut.« Faith Sellick trug ein weites, rot-schwarz kariertes Hemd und eine schwarze Capri-Hose. In ihrem Haar baumelte ein rotes Band. »Bei Ihnen war ja schwer was los heute.«
»Ja.«
»Ich habe den Streifenwagen gesehen.«
»Halb so wild.«
Faith nickte und starrte auf die Straße.
»Wo ist das Baby?«
»Ryan hat es heute Morgen mit ins Büro genommen.«
»Das ist doch sehr nett von ihm. Es gibt Ihnen die Chance, sich mal zu entspannen.«
»Vermutlich.«
»Es ist so ein schöner Tag«, bemerkte Cindy, als ihr nichts anderes mehr einfiel. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«, hörte sie
sich fragen und merkte, dass sie zögerte, ins Haus zurückzugehen, weil sie Angst hatte, alleine zu sein. Zeit alleine bedeutete Zeit zum Nachdenken. Zeit alleine bedeutete Zeit, sich Sorgen zu machen. Zeit alleine bedeutete, sich das Schlimmste auszumalen.
»Das wäre sehr nett«, sagte Faith, jedes Wort behutsam artikulierend. »Tee wäre sehr nett.«
»Gut, kommen Sie.«
Sie
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