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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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neben sie. »Eigentlich nicht. Ich habe vor ein paar Minuten irgendein Geräusch gehört und gedacht, Julia wäre vielleicht nach Hause gekommen.«
    »Das war wahrscheinlich ich. Ich bin schweißgebadet aufgewacht, weil ich vergessen hatte, meine Tabletten zu nehmen.«
    »Was für Tabletten?«
    »Es gibt keine Tabletten.« Cindy warf hilflos die Hände in die Luft. »Ich glaube, ich verliere den Verstand.«
    Ihre Mutter lachte.
    »Was findest du daran komisch?«
    Norma Appleton nahm Cindys Hand. »Nur, dass es mich daran erinnert, dass ich vor Jahren ganz ähnliche Erlebnisse hatte. Ich bin ständig mitten in der Nacht mit dem Gedanken aufgewacht, ich hätte etwas schrecklich Wichtiges vergessen. Ich glaube, das hat etwas mit den Wechseljahren zu tun.«
    »Mit den Wechseljahren? Ich bin doch noch nicht in den Wechseljahren.«
    »Aber nah dran.«
    »Ausgeschlossen. Ich bin erst zweiundvierzig.«

    »Schon gut, Liebes.«
    »Das hat mir zu meinen Sorgen gerade noch gefehlt.«
    »Das ist nicht der Punkt, Liebling.«
    »Und der wäre?«
    »Meiner Ansicht nach ist es durchaus nichts Ungewöhnliches für Frauen eines gewissen Alters.«
    »Mutter …«
    »Ich habe sie immer die OSHIVs genannt.«
    »Die was?«
    »Die OSHIVs – ›Oh Scheiße, hab ich vergessen!‹«
    »Wie bitte?«
    »Was? Glaubst du etwa, du wärst die Einzige, die solche Wörter kennt? Mach den Mund zu, Schätzchen, sonst fliegt noch ein Käfer rein.«
    Cindy starrte ihre Mutter ungläubig an. Daher habe ich es also, dachte sie.
    Jetzt kommt wieder das Mundwerk , hatte Tom am Anfang jedes Streits gesagt. Du und dein Mundwerk , hatte er immer gesagt.
    Entschuldige meine Wortwahl , hatte sie sich heute Morgen bei Neil entschuldigt …
    Was meinst du denn , hatte er gefragt.
    »Was denkst du?«, wollte jetzt ihre Mutter wissen.
    »Was?«
    »Du lächelst.«
    »Wirklich?« Mein Gott, ihre Mutter merkte aber auch alles. »Wahrscheinlich eine quer sitzende Blähung.«
    »Sie kommt schon nach Hause«, sagte ihre Mutter, den Blick in die ferne Vergangenheit gerichtet, die Stimme schwer von Erfahrung. »Du wirst schon sehen. Morgen früh kommt sie durch die Haustür spaziert, als wäre nichts gewesen, bloß erstaunt über die ganze Aufregung, wütend, dass du dir Sorgen gemacht hast, und stinksauer darüber, dass du die Polizei alarmiert hast.«

    Cindy senkte beschämt den Kopf. »Ich habe dir die Hölle zugemutet, als ich mit Tom durchgebrannt bin«, gestand sie.
    »Du warst jung und verliebt«, erwiderte ihre Mutter nachsichtig.
    »Ich war eigensinnig und egozentrisch.«
    »Das auch.«
    Cindy schüttelte den Kopf. »Was hab ich mir bloß dabei gedacht?«
    »Wahrscheinlich gar nichts.«
    »War ich wirklich wütend darüber, dass du dir Sorgen gemacht hast?«
    »Du warst fuchsteufelswild. Wie konnte ich es wagen, deine Freundinnen anzurufen! Wie konnte ich dich dermaßen in Verlegenheit bringen! Wie konnte ich nur die Polizei einschalten? Du warst doch nicht mal 48 Stunden weg! Du warst eine erwachsene Frau! Eine verheiratete Frau noch dazu! Was war bloß mit mir los? Oh, du hast endlos gezetert.«
    »Ist es zu spät, mich zu entschuldigen?«
    Ihre Mutter legte fürsorglich einen Arm um Cindys Schulter und zog sie an sich. »Es ist nie zu spät«, flüsterte sie und küsste die feuchte Wange ihrer Tochter.
    »Glaubst du, dass das jetzt die Vergeltung ist? Gottes Vorstellung von ausgleichender Gerechtigkeit?«
    »Ich würde gern glauben, dass Gott mit seiner Zeit Besseres anzufangen weiß.«
    »Glaubst du, Julia ist mit irgendeinem Kerl durchgebrannt?«
    »Glaubst du es?«
    Cindy schüttelte den Kopf. Wenn Julia vom Heiraten redete, sprach sie von Vera-Wang-Kleidern und einer Fotostrecke im People -Magazin. »Das ist nicht ihr Stil. Außerdem hat sie sich von ihrem Freund getrennt.« Sie dachte an Sean Banack. »Du glaubst doch nicht, dass sie deswegen übermäßig erschüttert war, oder? Ich meine, erschüttert genug, um eine Dummheit zu begehen.«

    »Julia soll sich wegen eines Mannes etwas angetan haben?«
    Die Gegenfrage ihrer Mutter war Antwort genug. »Was ist dann mit ihr geschehen? Wo ist sie?«
    »Ich weiß es nicht, Schätzchen. Aber ich weiß, dass du ein bisschen schlafen musst, sonst bist du nicht mal in der Verfassung, sie auszuschimpfen, wenn sie nach Hause kommt. Los«, drängte ihre Mutter und schlug das Laken auf der anderen Seite von Julias breitem Bett auf. »Warum schläfst du heute Nacht nicht hier bei mir? Ich könnte Gesellschaft

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