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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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alles, was in der vergangenen Woche zwischen ihr und den Sellicks vorgefallen war. Sie beobachtete, wie Detective Gill die Informationen geflissentlich notierte, und fragte sich, ob sie wirklich glaubte, dass Ryan und Julia eine Affäre hatten, dass Faith sie am Morgen angerufen und einer der beiden etwas mit dem Verschwinden ihrer Tochter zu tun hatte. »Was ist mit Michael Kinsolving?«, fragte sie.
    »Wir haben keinerlei Indizien, dass er irgendwas mit der Sache zu tun hat.«
    »Direkt nachdem er Julia gesehen hat, hat er die Stadt verlassen«, erinnerte Cindy ihn.
    »Er behauptet, dass er auf dem Land unterwegs war. Location-Scouting.«
    »Und? Stimmt das?«
    »Wir überprüfen das noch.«
    Cindy senkte den Kopf. »Im Grunde erklären Sie mir also, dass wir keinen Schritt weiter sind als letzte Woche. Nur dass jetzt noch ein weiteres Mädchen verschwunden ist.«

    »Mrs. Carver …«
    »Ich weiß, es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass ein Zusammenhang zwischen beiden besteht.«
    Eine Stunde später lag Cindy auf ihrem Bett und blätterte im Programm des Festivals. In der Sektion mit der Überschrift Masters entdeckte sie das Foto eines Kranken- oder Streifenwagens, der durch eine dunkle, städtische Straße fuhr, das mit Absicht verschwommene Bild war in ein unheimliches, orangerotes Licht getaucht, und im Vordergrund sah man die dunklen Umrisse einer Frau. Der Text unter dem Bild lautete: Lost, Michael Kinsolvings sensationeller neuer Film, beschäftigt sich mit der Kehrseite der modernen Gesellschaft, mit einer unzufriedenen Jugend und der abstoßenden Generation, die sie herangezogen hat. Wir begegnen Catherine, mit 22 bereits eine routinierte Betrügerin, und ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Sarah, die abhängig ist von Kokain und Männern, die alt genug sind, ihre Väter zu sein .
    Cindy klappte den Katalog zu und kramte in dem Umschlag mit Kinokarten, die Meg für sie da gelassen hatte. Im Volkswagen Guide to the Festival Official Filmbook schlug sie nach, wann Lost gezeigt wurde. Die Vorführung fand an diesem Abend um 19.15 Uhr im Uptown 1 statt, las sie und griff nach dem Telefon.
    »Hallo?«, antwortete Meg mit einem heiseren Flüstern. »Cindy?«
    Cindy stellte sich vor, wie Meg sich in dem dunklen Kino auf ihrem Sitz zusammenkauerte und die wütenden Blicke der Umsitzenden spürte.
    »Ich treff dich um sieben im Kino«, sagte Cindy und legte schnell wieder auf, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

21
     
     
    Das Upwtown 1 war bereits bis auf den letzten Platz gefüllt, als Cindy um kurz nach sieben eintraf. Sie suchte in dem schwach beleuchteten, großen, altmodischen Kinosaal nach ihren Freundinnen und betete, dass sie sonst keine Bekannten traf. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was sie sagen würden: Ist es zu glauben? Ihre Tochter wird seit einer Woche vermisst, weiß der Himmel, was ihr zugestoßen ist, und sie geht sich amüsieren. Sie geht ins Kino!
    Und sie hätten Recht, dachte Cindy und fragte sich, was zum Teufel sie hier machte. Glaubte sie ernsthaft, aus Michael Kinsolvings neuem Film irgendetwas Bedeutungsvolles zu entnehmen? Glaubte sie ernsthaft, dass es verborgene Hinweise auf das Schicksal ihrer Tochter geben würde, dass sie einen Einblick in die gequälte Seele des Regisseurs gewinnen konnte? Oder hatte sie bloß verzweifelt aus dem Haus kommen wollen, weg von ihrer Mutter, ihrer Schwester und dem Hund? Was will ich damit bezwecken, fragte sie sich, machte abrupt kehrt und floh aus dem überfüllten Kino in die ebenso überfüllte Lobby, wo sie vor einem langen Tisch stehen blieb, der mit Sushi und exotischen Sandwiches gedeckt war.
    »Kann ich etwas für Sie tun?« Eine junge Frau hinter dem mit Häppchen überladenen Tisch sah sie erwartungsvoll an.
    Cindy merkte plötzlich, dass sie einen Bärenhunger hatte, weil sie trotz Leighs fortwährender Bemühungen, sie mit irgendetwas zu füttern, seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Als Warren alle zum Abendessen eingeladen hatte, hatte
sie Erschöpfung vorgegeben und darauf bestanden, dass ihre Mutter und ihre Schwester ohne sie gingen, um, kurz nachdem sie weg waren, selbst aus dem Haus zu eilen. Sie hatte eine Nachricht hinterlassen – Brauchte frische Luft. Bin um zehn zurück -, damit sie sich keine Sorgen machten. Aber weil sie wusste, dass sie sich trotzdem Sorgen machen würden, drückten Schuldgefühle auf ihre Brust wie Sodbrennen. Sie würde sich ein Sandwich nehmen und danach schnurstracks

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