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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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nach Hause fahren, entschied sie. Herzukommen war von Anfang an ein Fehler gewesen. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? »Was für ein Sandwich ist das?«, fragte sie die blasse junge Frau, deren Namensschild sie als eine freiwillige Helferin des Festivals auswies.
    »Tomate, Havarti-Käse und Avocado auf Vollkorn-Weizen.«
    Cindy nickte, und ihr lief schon das Wasser im Mund zusammen, während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie suchte.
    »Das übernehme ich«, sagte ein Mann hinter ihr, und als Cindy sich umdrehte, stand sie Neil Macfarlane gegenüber.
    »Wo kommst du denn her?«, fragte Cindy überrascht, ihn hier zu treffen.
    Neil wies auf den Kinosaal. »Wir sitzen ziemlich weit hinten. Meg wollte dich gerade rufen, als du wieder rausgerannt bist.«
    »Ich wusste nicht, dass du auch hier bist.«
    »Trish hatte noch eine Karte übrig.« Grübchen schlichen sich in sein Gesicht, als seine Lippen mit einem Lächeln flirteten. »Sie hat mich angerufen und mir erzählt, dass du kommst. Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Wenn es dir irgendwie unangenehm ist …«
    »Nein, gar nicht.«
    »Gut.« Er fasste ihren Ellenbogen und führte sie in eine relativ ruhige Ecke der alten Lobby, deren Wände die Farbe von dunklem Blut hatten. »Ich habe ein paar Mal angerufen …«
    »Ja, ich weiß. Es tut mir auch sehr Leid, dass ich nicht zurückgerufen
habe.« Ich wollte es wirklich, dachte sie. »Es war alles so verrückt«, sagte sie.
    »Du musst dich nicht entschuldigen.«
    »Danke.« Cindy lächelte und unterdrückte den Impuls, ihm über die Wange zu streichen. Waren seine Augen schon immer so blau gewesen, fragte sie sich, bevor sie sich zwang, den Blick abzuwenden.
    »Bist du so weit, wieder reinzugehen?«
    Cindy straffte die Schultern und atmete tief ein. »Auf in den Kampf.«
     
    Im Kino war es bereits vollkommen dunkel, als Neil Cindy eine steile Treppe hinauf zu den Plätzen in den hintersten Reihen des Saales führte, wo Meg und Trish bereits warteten. Ihre beiden Freundinnen begrüßten sie mit innigen Umarmungen und Küssen.
    »Geht es dir so weit gut?« Meg fasste Cindys Hand und drückte sie fest in ihren Schoß. »Ich bin so froh, dass du kommen konntest.«
    »Wir hatten schon Angst, du wärst wieder abgehauen«, sagte Trish.
    »Das wollte ich eigentlich auch.«
    »Du bist mir doch nicht böse … wegen Neil?«, flüsterte sie.
    »Nein, gar nicht.«
    »Psst«, zischte es aus der Nähe, als ein Spotlight über die große Bühne wanderte, bis es auf einer einsamen Gestalt links neben der riesigen Leinwand verharrte.
    »Hallo, ich bin Richard Pearlman und einer der Organisatoren des diesjährigen Festivals«, erklärte der lässig gekleidete junge Mann unter vereinzeltem Beifall. »Zunächst möchte ich mich bei unseren Sponsoren bedanken«, sagte er und leierte ohne Begeisterung eine Reihe von Namen herunter. »Heute haben wir die große Ehre, Ihnen die Amerika-Premiere von Michael Kinsolvings fantastischem neuen Film Lost zu präsentieren,
einem Film von erstaunlicher Kraft und Wirkung. Außerdem haben wir die Ehre, Michael Kinsolving heute Abend als unseren Gast zu begrüßen.«
    Ein zufriedenes Seufzen ging durch das Publikum wie ein Windstoß durch ein Weizenfeld.
    »Ladys und Gentlemen … Michael Kinsolving.«
    Als der berühmte Hollywood-Regisseur in seinem typischen schwarzen T-Shirt und engen Jeans winkend auf die Bühne trat, erhob sich freundlicher bis begeisterter Applaus. Er schirmte die Augen mit einer Hand ab und starrte auf die Reihen.
    Ob er mich sehen kann, fragte Cindy sich und wusste nicht, ob sie sich vorbeugen oder in ihrem Sitz versinken sollte.
    »Ich hoffe, wenn Sie den Film gesehen haben, ist Ihnen immer noch nach Applaus zumute«, sagte Michael unter großem Gelächter. »Nun, was soll ich sagen? Ich liebe dieses Festival. Ich liebe diese Stadt. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich vor, meinen nächsten Film hier zu drehen.« Wieder brandete Beifall auf. »In Lost haben wir versucht, etwas Ungewöhnliches zu schaffen, ich hoffe, das stört Sie nicht. Jedenfalls werde ich Ihnen nach der Vorführung für Fragen zur Verfügung stehen.« Weiterer Applaus. »Viel Vergnügen.«
    Er sprang von der Bühne, und der Scheinwerfer erlosch. Viel Vergnügen, wiederholte Cindy stumm, während ein packendes musikalisches Thema den Raum erfüllte und auf der Leinwand eine Gruppe gespenstischer, halb nackter Tänzer auftauchte, deren Arme mit schwarz-weißen Streifen bemalt waren wie eine

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