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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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ihn rankommen könnte. Ich bückte mich, um das Gewehr zu laden, dabei schaute ich einen Augenblick weg,

03:30
    W ieder schien Jóhann in seine Gedankenwelt zu versinken und alles um sich herum zu vergessen. Minutenlang saß er nur da und starrte auf den Tisch, und Birkir tat es ihm nach. Er konnte reglos dasitzen und dabei vollste Konzentration bewahren, was er unter den gegebenen Umständen für das Beste hielt. Vielleicht ergab sich später die Gelegenheit, die Initiativezu ergreifen. Auf einmal schien Jóhann wieder zu erwachen, er griff nach der Cola-Dose und nahm einen kräftigen Schluck, stand auf und ging einmal um den Tisch herum. Jetzt war er bereit, seine Geschichte fortzusetzen: »Meinen Gegner vom Freitag fand ich aber auf ganz andere Weise, eigentlich ohne dass ich es wollte, rein zufällig. Pures Glück mal wieder. Es hing damit zusammen, dass ich manchmal Hjördís besuche, nicht so auf die herkömmliche Art und Weise, was du darunter verstehst, sondern es sind geistige Besuche. Wenn ich nicht schlafen kann, drehe ich manchmal im Auto eine Runde durch die Stadt und ende bei Hjördís. Ich parke das Auto vor ihrem Haus und beobachte ihr Schlafzimmerfenster. Manchmal ist Licht und manchmal nicht, manchmal steht es offen, manchmal nicht. Ich stelle mir dann vor, was wir machen würden, wenn sie mich nicht so enttäuscht hätte. Was wir machen, hängt davon ab, wie ich mich fühle. Manchmal haben wir etwas miteinander zu bereden, manchmal schlafen wir einfach, oder wir lieben uns, das ist natürlich am besten und total real. Du denkst jetzt bestimmt, dass ich nicht mehr ganz dicht bin. Meinetwegen, ich bin niemandem Erklärungen dafür schuldig. Niemand weiß, wie meine Realität aussieht.«
    Jóhann verstummte und sah Birkir an, als erwarte er eine Reaktion. Birkir beschloss, weiterhin zu schweigen. Er streckte aber die Hand nach der Cola-Dose aus, die er bislang nicht angerührt hatte, und trank einen Schluck.
    Jóhann redete weiter: »Als ich am Donnerstag nach dem Kampf in die Stadt zurückkam, waren meine Nerven immer noch zum Zerreißen gespannt. Das Spiel war perfekt aufgegangen, und ich war so aufgekratzt, dass ich weder ruhig sitzen noch still stehen konnte. Ich bin in der Wohnung herumgerannt, und mir ging wieder und wieder der Kampf in allen Einzelheiten durch den Kopf, Sekunde für Sekunde. Die kleinste Bewegung hatte ich klar vor Augen. Ich wusste, dass ich am Rückenverwundet war, aber ich spürte keinen Schmerz, das bewirkte das Endorphin. An Einschlafen war überhaupt nicht zu denken, und deswegen habe ich Hjördís wieder einen Besuch abgestattet. Ich kam gegen halb zwei dorthin, und es war dunkel in unserem Schlafzimmer. Das Fenster stand auf, drinnen war also frische Luft. Vor ihrem Haus wurde ich endlich etwas ruhiger und bin wahrscheinlich eingenickt. Ich wachte um vier auf, als die Haustür ins Schloss fiel. Ein Mann in Tarnkleidung ging mit einer Tasche, in der eine Schrotflinte steckte, und Lockvögeln in einem großen Sack zu seinem Auto. Ganz eindeutig ein Gänsejäger auf dem Weg zum Morgenstrich. Ich war sofort hellwach und fühlte mich ausgeruht, obwohl mir verdammt kalt war. Jetzt tat mir auch der Rücken weh, aber es war auszuhalten. Eigentlich war’s sogar gar kein schlechtes Gefühl, denn es erinnerte mich an den Kampf mit dem Gegner vom Tag vorher. Während der Mann seine Sachen im Auto verstaute, einstieg und losfuhr, überlegte ich fieberhaft. Ich ließ den Motor an und folgte ihm. Meine Kampfausrüstung von der Nacht vorher war noch im Kofferraum. Meinen Tarnanzug hatte ich auf dem Weg in die Stadt ausgezogen und auch in den Kofferraum gesteckt, denn der Anorak war am Rücken so zerfetzt, dass ihn niemand zu Gesicht bekommen durfte. Die Spannung in mir stieg. Nichts sprach dagegen, dem Mann auf den Fersen zu bleiben und das Spiel zu wiederholen. Herauszufinden, was in ihm steckte. Zur Arbeit musste ich erst abends, ich hatte wieder die Nachtschicht. Wenn alles nach Wunsch verlief, konnte ich mich sogar mittags ein paar Stunden hinlegen, um mich auszuruhen. Ich brauche nicht viel Schlaf. Jetzt ging es nur darum, den Mann zu verfolgen und zu sehen, was sich ergeben würde. Er tankte an der Tankstelle in Ártúnshöfði, genau wie mein Gegner vierundzwanzig Stunden vorher. Dieser war aber auf dem Weg ins Südland. Ich brauchte bei der Verfolgung nicht so vorsichtig zu sein wie beim ersten Mal, weiletwas mehr Verkehr war. In Südisland kenne ich mich abgesehen von den

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