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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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Zufälle im Leben. Du bist in diesem Fall glimpflich davongekommen, und im Straßenverkehr ist die Gefahr, getötet zu werden, womöglich genau so groß.«
    »Vielleicht«, sagte der Mann stumpf.
    Gunnar warf wieder einen Blick in sein Notizbuch. Da war nicht viel, womit man arbeiten konnte, dachte er enttäuscht. Hatte er womöglich etwas vergessen?
    »Hör mal, ich muss so schnell wie möglich nach Hause und meiner Frau sagen, was geschehen ist«, sagte der Schwiegersohn.
    »Das macht die Polizei in Reykjavík«, warf der Polizist aus dem Borgarfjörður ein. »Mach dir deswegen keine Gedanken. Sie sorgen auch dafür, dass sich jemand um sie kümmert.«
    »Sie hat ihren Vater sehr geliebt«, erklärte der Mann besorgt.
    »Das tun wohl die meisten von uns«, antwortete Gunnar.
    »Ja, das stimmt wohl«, sagte der Mann.
    »Deine Flinte«, sagte Gunnar, »ist sie im Auto?«
    »Ja«, erwiderte der Mann. »Ich hab sie auf den Beifahrersitz geworfen, bevor ich losfuhr.«
    »Kann ich sie mir ansehen?«, fragte Gunnar.
    »Ja, selbstverständlich, bitte sehr.«
    Gunnar stieg aus dem Streifenwagen aus und ging hinüber zu dem Jeep. Eine Fünfschuss-Pumpgun lag auf dem Beifahrersitz. Er zog sich Gummihandschuhe an und öffnete die Autotür. Dann nahm er vorsichtig die Waffe zur Hand und sah sich die Marke an, eine Mossberg 500. Er öffnete die Flinte vorsichtig, zwei Patronen steckten im Magazin und eine Pufferpatrone. Alles vorschriftsmäßig. Im Lauf befand sich eine leere Patrone, eine isländische Hlað Original 42 Gramm, 70 Millimeter. Gunnar entnahm die Munition und steckte sich die Patronen in die Tasche. Anschließend besah er sich das Schloss genau, und als er daran schnupperte, nahm er einen leichten Geruch von Schießpulver und Waffenöl wahr. Das Gewehr war in gutem Zustand. Er legte es auf den Sitz zurück, schlug die Tür zu und setzte sich wieder in das Polizeiauto.
    »Du hast erst vor kurzem einen Schuss abgegeben«, sagte er zum Schwiegersohn.
    Ragnar schaute Gunnar verwundert an. »Ja, ich habe auf den Mann geschossen, damit er mich nicht verfolgte.«
    »Das hast du aber vorhin nicht erwähnt.«
    »Habe ich das nicht gesagt?«
    »Nein.«
    »Das war dumm von mir. Das ist natürlich sehr wichtig, oder?«
    »Ja, es ist wichtig.«
    »Ja, natürlich. Das hätte ich wissen müssen. Wie war das denn noch?« Ragnar überlegte.
    »Nimm dir Zeit«, sagte Gunnar.
    »Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte Ragnar. »Ich hatte meine Flinte schon geladen, zwei Schüsse im Magazin und einer imLauf, das habe ich mir zur Routine gemacht. Ich habe einen Schuss abgegeben, als ich den Mann bei meinem Schwiegervater sah und mir klar wurde, was geschehen war.«
    »Hast du auf den Mann gezielt?«, fragte Gunnar.
    »Ja, nein, ich habe eigentlich eher einen Schuss ins Blaue abgegeben. Er war ja auch so weit entfernt. Das hätte ich wohl nicht tun dürfen?«
    Gunnar nahm sich Zeit für die Antwort. »Es ist keine unnatürliche Reaktion«, sagte er schließlich.
    »Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun können«, sagte der Mann unsicher.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte Gunnar und versuchte, beruhigend zu lächeln, hatte jedoch nicht viel Erfolg damit.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich die Patronen aus deiner Waffe in Verwahrung nehme? Das hilft den Leuten vom Erkennungsdienst weiter.«
    Als Ragnar zustimmend nickte, stieg Gunnar wieder aus dem Auto aus. Er ging zur Leiche, um die inzwischen in einem Radius von zwanzig Metern ein gelbes Kunststoffband gelegt worden war. Birkir stand daneben und telefonierte. Der Tote trug Jagdkleidung, und Gunnar fiel auf, dass er eigentlich ganz ähnlich gekleidet war, wie der Schwiegersohn den Mörder beschrieben hatte. Camo-Bekleidung war groß im Kommen unter Jägern, und die meisten sahen einander ziemlich ähnlich. Gunnar schaute an sich selbst herunter, auch er steckte an diesem Morgen in ähnlichen Klamotten und sah nicht unbedingt wie ein Kripobeamter am Tatort aus.
    »Verdammtes Pech«, sagte er zu Birkir, »wir waren ihm heute Morgen so nahe.«
    »Es ist noch nicht vorbei«, antwortete Birkir. »Wir können ihn immer noch erwischen. Ich bin mir sicher, dass er noch irgendwo hier in der Nähe sein muss.«
    Gunnar blickte sich um und nahm das Terrain in Augenschein.Für Island typisches buckliges Heide- und Grasland, auf dem man mit dem Auto nicht vorwärts kam, das war nur auf dem Feldweg möglich, auf dem sie zum Tatort gelangt waren. Der Mörder musste einen langen Fußmarsch

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