Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
Leuten hier ankommen müssen. Bragg hat das bereits geklärt. Außerdem hätte irgendjemand in der Nachbarschaft Farr gesehen, wie er mit einem Gemälde aus der Galerie kam, und das war ebenfalls nicht der Fall. Die Polizei hat alle Nachbarn befragt. Ich glaube, er sagt die Wahrheit, dass das Porträt nicht mehr da war, als er eintraf. Doch eine Sache passt nicht zusammen: Als ich gestern hier rauskam, um mich auf den Weg zur Kirche zu machen, da waren hier ein Nachbar und ein Polizist, dem es gelungen war, das Türschloss zu öffnen. Als die Polizei aber am Abend eintraf, da stand laut Farr die Tür offen, und die Scheibe war zerbrochen – als hätte jemand die Tür wieder abgeschlossen, nachdem der Streifenpolizist sie zugezogen hatte. Der Dieb war vielleicht gezwungen, die Scheibe einzuwerfen, um das Schloss von innen zu öffnen.“
„Vielleicht lügt Moore ja, und er ist in Wahrheit hergekommen, nachdem du schon weg warst, weil er sich nicht sicher war, ob er am Vortag tatsächlich abgeschlossen hatte“, gab Hart zu bedenken. „Das wäre eine logische Erklärung, selbst wenn er mit dem Fall weiter nichts zu tun hat.“
„Ja, das wäre denkbar“, überlegte Francesca. „Moore würde ganz sicher leugnen, dass er hier war, weil er Angst hat, sich verdächtig zu machen.“
Nachdenklich sah er vor sich hin. „Wir wissen beide, dass Moore uns etwas verschweigt.“
„Ja, allerdings“, bekräftigte sie und lächelte flüchtig. „Nun, eine Sache steht meiner Ansicht nach fest: Der Chief ist nicht unser Dieb, ansonsten hätte er nicht inoffiziell drei Mal Sarah aufgesucht, um sie zu befragen.“
„Eigentlich“, sagte Hart nickend, „ist es nicht weiter wichtig, wie Farr von deinem Porträt erfahren hat.“
„Du hast recht. Wir wissen beide, er kann mich nicht leiden, und deshalb war er so oft bei Sarah. Er will das Bild als Erster finden, weil er weiß, dass er mich damit unter Druck setzen kann.“
„Das wird ihm nicht gelingen, weil ich ihn zuvor umbringen werde!“
Francesca schnappte nach Luft. „Sag so etwas nicht!“
„Du weißt, wozu ich fähig bin, wenn es darum geht, die Menschen zu beschützen, die mir wichtig sind.“
Unwillkürlich biss sie sich auf die Lippe. Vor einigen Monaten war seine Pflegeschwester Lucy erpresst worden, und schon damals hatte Hart erklärt, dass er auch einen Mord begehen würde, um die Menschen zu schützen, die er liebte.
„Francesca.“ Sein schroffer Tonfall riss sie aus ihren Gedanken. „Ich weiß, was du denkst. Du glaubst, Farr war der große bedrohliche Mann, den Marsha Moore gesehen hat.“
„Ja, genau.“ Sie zitterte leicht. „Farr will diesen Fall lösen, Hart, und das müssen wir um jeden Preis verhindern.“
Sein Blick wanderte langsam über ihr Gesicht. „Chief Farr wird dich nicht zu Fall bringen, Francesca, das kannst du mir glauben. Aber wir sind offenbar mitten in einen Wettlauf geraten. Und den werden wir gewinnen.“
Francesca war ausgezeichneter Laune, als sie vor dem dunklen Gebäude nahe der Sixth Avenue stand, in dem Rose angeblich lebte. Hart würde tatsächlich alles tun, um sie zu beschützen. Sie war völlig begeistert, dass es zwischen ihnen offenbar doch nicht vorbei war, auch wenn er das wiederholt beteuert hatte.
Dann aber dämpfte sie ihre Begeisterung. Fast vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit sie ihr Porträt in der Galerie entdeckt hatte, und jetzt befand es sich irgendwo in dieser Stadt. Sie dachte über Daniel Moores Aussage nach, zwei Damen hätten am Donnerstag seine Galerie aufgesucht. Könnte eine von ihnen Solange Marceaux gewesen sein?
Und war es möglich, dass Chief Farr Moore noch am Samstagabend aufgesucht hatte, nachdem sie aus der Galerie entkommen war? Er war ein kluger Mann, und es hätte ihn nicht viel Mühe gekostet herauszufinden, wo Moore lebte. Doch wenn das zutraf – wer war dann der Mann, den Marsha vor der Galerie gesehen hatte? Farr konnte erst seit gestern von der Existenz der Galerie wissen, also kam er nicht als der Mann infrage, der im Lauf der Woche dort herumgelungert hatte.
Francesca stieg aus Harts Kutsche aus, als über ihr gerade die Schienen der El entlang der Sixth Avenue zu poltern und zu ächzen begannen. Unter der erhöht verlaufenden Bahnstrecke war es düster und unangenehm, und da Francesca wusste, dass sich ein Zug näherte, verkrampfte sie sich unweigerlich. Im nächsten Moment hörte sie das Dröhnen der Lokomotive und das Kreischen der eisernen Räder auf
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