Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
leeren Wand, aus der der Unbekannte das festgenagelte Bild herausgerissen hatte. „Was ist hier geschehen? Hier hing ein Gemälde … ein wundervolles Porträt eines Zirkusclowns.“
„Gestern hing tatsächlich ein Porträt an dieser Wand“, gab Francesca zurück und war ganz auf Moore konzentriert, der von ihr keine Notiz nahm und stattdessen von Bild zu Bild lief, um zu überprüfen, ob sonst noch etwas fehlte.
Francesca und Hart folgten ihm, schließlich fragte er: „Schließen Sie die Galerie eigentlich nicht ab, Mr Moore?“
„Natürlich schließe ich immer ab! Es fehlt nichts“, stellte der Galerist fest. „Nur der Clown in Ol.“
„Wie viele Schlüssel haben Sie?“, wollte Francesca wissen.
Nach einer langen Pause erwiderte er: „Einen Satz Schlüssel trage ich immer bei mir. Der andere Satz befindet sich hinten im Büro.“
Hart machte eine Geste, die keine Frage offen ließ. Dementsprechend zügig ging Moore vor ihnen her und stieß einen entsetzten Schrei aus.
„Was ist denn hier passiert?“, rief er, als er das Durcheinander in seinem Büro sah. Der Schreibtisch war nach wie vor an die Wand geschoben, obenauf lag der Aktenschrank. Moores Blick wanderte zum eingeschlagenen Fenster, dann drehte er sich fragend zu Francesca um.
„Ich habe versucht zu entkommen“, erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln und bemerkte fast im gleichen Augenblick das Gemälde eines Clowns, das nicht weit von der Tür entfernt gegen die Wand gelehnt dastand.
„Wie höflich und umsichtig unser Dieb doch ist!“, urteilte sie. Manchmal waren die kleinsten Hinweise die nützlichsten.
Moore drehte sich zu ihr um. „Wie bitte?“
„Unser Kunstdieb hat nicht nur dieses Gemälde abgehängt, um Platz für das gestohlene Porträt zu schaffen, er hat es auch in Ihr Büro gebracht und hier abgestellt.“ Sie lächelte freundlich. „Es ist ein recht großes Bild. Ich hätte es vermutlich einfach dort auf den Boden gelegt, wo ich es von der Wand abgenommen habe. Andererseits bin ich eine Frau und habe nicht so lange Arme.“
„Vielleicht ist unser Dieb ja davon besessen, keine Unordnung zu schaffen“, murmelte Hart. „Oder … vielleicht auch nicht.“
Moore sah hastig zwischen ihnen beiden hin und her. Francesca war sich so gut wie sicher, dass der Galerist mit dem Dieb unter einer Decke steckte und das Bild entweder selbst abgehängt und weggestellt oder aber dem Unbekannten genaue Anweisungen gegeben hatte, wie er mit dem Gemälde umzugehen habe. „Das ist doch Unsinn! Wen kümmert es schon, ob der Dieb das Bild in mein Büro getragen hat?“
„Der Zweitschlüssel, Moore!“ Hart deutete auf den Schreibtisch.
Moore ging hin und öffnete eine Schublade, erstarrte einen Moment lang, als sei er über irgendetwas sehr überrascht, dann begann er zu kramen. Leise fluchend zog er auch die beiden anderen Schubladen auf und wühlte zunehmend hektisch darin herum.
Francesca schaute zu Hart, dessen Blick ihr verriet, dass er ganz ihrer Meinung war: Moore spielte ihnen etwas vor.
„Ich nehme an, die Schlüssel wurden gestohlen“, stellte Hart ruhig fest.
„Das glaube ich nicht!“, rief Moore aufgebracht. „Aber wenn ich so überlege … Am Donnerstag ging es hier recht lebhaft zu. Zwei Damen verbrachten einige Zeit in der Galerie, eine von ihnen stellte mir viele Fragen zu dem Bild mit der Meereslandschaft, das ganz vorne hängt. Sie fragte mich sogar nach dem Preis.“
„Wollen Sie damit sagen, die andere Frau hat Ihnen den Ersatzschlüssel gestohlen, während Sie mit der möglichen Käuferin beschäftigt waren?“, fragte Francesca. Unwillkürlich musste sie sich vorstellen, wie Solange Marceaux die Galerie betrat und Interesse an dem hässlichen Bild vortäuschte.
„Nein, das will ich damit nicht sagen“, fuhr er sie an. „Allerdings hielt sich zur gleichen Zeit ein Mann hier auf und sah sich um, während ich mich den Damen widmete.“
Moore hatte ihr und Marsha nichts von dem großen Mann auf der Straße vor der Galerie und ihrem Wohnhaus erzählt. Würde er jetzt auf ihn zu sprechen kommen? „Können Sie den Mann beschreiben?“
„Ich kann mich nur daran erinnern, dass er einen Anzug trug!“ Er ließ sich auf den Schreibtischstuhl sinken und hielt sich die Hände vors Gesicht.
Ihr fiel auf, wie seine Finger zitterten. „Ich fürchte, Mr Moore, ich muss Sie fragen, wo Sie Samstagnachmittag und Samstagabend waren.“
„Warum wollen Sie das wissen?“, gab er zurück und wurde
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