Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
wechseln. „Wie geht es dir überhaupt? Wir reden immer nur über mich, dabei interessiere ich mich genauso für deine Probleme. Hast du bei Leigh Anne irgendwelche Fortschritte machen können? Fühlt sie sich besser?“
„Das lange Wochenende liegt vor uns, und ich werde völlig von meiner Arbeit in Beschlag genommen“, antwortete er langsam.
„Aber sicher wirst du die eine oder andere Unterhaltung mit deiner Frau geführt haben“, sagte sie im Scherz, doch sie entlockte ihm damit kein Lächeln.
„Ich bin nur selten mehr als ein oder zwei Stunden zu Hause. Es hat sich nichts geändert.“
Nun war sie sehr in Sorge. Das konnte doch nur ein kleiner Rückschlag auf dem Weg sein, dem ihre Ehe folgte, oder nicht? „Rick, du musst dir Zeit für deine Familie nehmen! Du kannst nicht in deinem Büro leben oder dich hinter deiner Arbeit vor Leigh Anne verstecken.“
„Ich verstecke mich vor nichts und niemandem, Francesca“, erwiderte er ruhig. „Ich bin nur unverändert ein sehr beschäftigter Mann.“
Bei seinen Worten fasste sie den Entschluss, Leigh Anne zu besuchen, bevor die Braggs über das Wochenende des 4. Juli die Stadt verließen. Wenn sie irgendwie helfen konnte, würde sie das auch tun.
Plötzlich fasste Bragg sie am Arm, im nächsten Moment stieß die Fähre mit dem Bug gegen den Pier. Francesca verlor den Halt und kippte so zur Seite, dass sie in seinen Armen landete. Ihre Blicke begegneten sich. Es war eine Spur zu vertraut, fand sie, während ihr Herz einen Satz machte. Behutsam löste sie sich aus seiner Umarmung, als die Leinen an den Landesteg geworfen wurden, und sie fragte sich, ob er sie wohl nur widerwillig losließ.
Der Kapitän der Fahre näherte sich ihnen. „Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt, Commissioner.“ Der stämmige Mann hatte ein gerötetes Gesicht und trug einen beachtlichen weißen Backenbart.
„Es war eine sehr angenehme Fahrt“, versicherte Bragg ihm. „Francesca?“
Sie gab ihm seinen Mantel zurück und dankte dem Kapitän für die Überfahrt, dann sah sie an dem Mann vorbei zum Gefängnis. Der Eingangsbereich mit seinem hohen, steil abfallenden Dach ragte in rechtem Winkel aus dem Hauptgebäude heraus. Achthundert Zellen befanden sich auf der linken Seite, das Arbeitshaus, die Krankenstation und die geschlossene Anstalt rechts. An der Nordspitze der Insel lag das Armenhaus, in dem sie oft die ärmsten Witwen und Waisen der Stadt besucht hatte. „Ich hoffe, die Lebensbedingungen im Arbeitshaus sind deutlich besser als die im Gefängnis, Rick. Henrietta kann man wohl kaum als eine Verbrecherin bezeichnen. Ich finde es immer noch unglaublich, dass sie verurteilt wurde, nur weil sie wusste, was Mary getan hatte.“
„Sie hat nichts von diesem Wissen preisgegeben, als wir sie verhört haben. Es ist zwar kein Verbrechen, wenn man schweigt, aber den Geschworenen hat nicht gefallen, wie tief sie in das Ganze verstrickt war.“ Sie folgten dem Weg, der zum Eingang führte. Unmittelbar davor waren Gefangene damit beschäftigt, die Gartenanlage zu pflegen, bewacht von einem bewaffneten Aufseher. „Aber weil in ihrem Fall ein geringeres Vergehen vorliegt, ist sie auch im Arbeitshaus untergebracht und nicht in einer der Zellen, in denen die Schwerverbrecher einsitzen.“ Er zog eine der schweren Holztüren auf und hielt abrupt inne. „Ich werde ständig in Sorge um dich sein, wenn du glaubst, du könntest mit meinem Bruder ein Spiel treiben.“
Sie war gerührt, als sie ihn das sagen hörte. „So wie ich um dich und Leigh Anne besorgt bin, Rick“, entgegnete sie leise.
„Lass uns weitergehen, Francesca.“ Seine Miene war mit einem Mal wie versteinert.
Sie betraten den Eingangsbereich, der der Lobby eines schäbigen fünftklassigen Hotels ähnelte. Im trostlosen Dämmerlicht machte sie einen Bereich aus, in dem die Besucher Platz nehmen konnten, dazu eine Art Empfang und eine Theke, an der man sich registrieren lassen musste. Diese Lobby war alt, aber nicht heruntergekommen, und ganz sicher waren es Gefangene, die hier sauber machten.
Bragg hatte sein Kommen telegrafisch angekündigt, und er war noch nicht am Empfang angelangt, da kam ein großer Mann aus einem angrenzenden Raum auf sie zu und lächelte strahlend. „Commissioner Bragg! Es ist mir ein Vergnügen, Sie zu sehen, Sir.“
Der Direktor von Blackwell Island schüttelte ihm die Hand, dann wandte er sich Francesca zu. „Und es ist mir sogar ein noch größeres Vergnügen, Sie zu sehen, Miss
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