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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Gesicht nach oben.
    »Jetzt schau mich schon an! Sieh mir in die Augen! Es ist deine Schuld. Kapierst du?«
    Speicheltropfen flogen aus seinem Mund. Sein Gesicht war verzerrt, gequält. Ulrik wich seinem Blick aus, starrte seine Hände an. Noch immer liefen ihm Tränen über die Wangen. Stefan überlegte, ob Ulrik unter Schock stand. Ob er überhaupt ansprechbar war. Mickes Wut verpuffte augenblicklich, und er ließ sich schwer und müde auf den Stuhl neben Ulrik fallen. Murmelte leise vor sich hin. Stefan konnte nur Bruchstücke verstehen.
    »Ich hätte nicht … die Kontrolle verlieren dürfen. Ich hätte mich nicht provozieren lassen dürfen. Wenn ich nicht so verdammt schwach geworden wäre, wäre das alles nicht passiert. Verdammter Scheiß, verdammter, verdammter Scheiß. Es ist meine Schuld. Es tut mir so leid. Es tut mir so leid. Verdammt, verdammt, verdammt.«
    »Haltet jetzt alle die Fresse.« Wieder Anders. Die Stimme laut und energisch. »Niemand nimmt hier irgendeine Schuld auf sich, und es ist sinnlos, darüber zu reden, wessen Schuld es war. Er ist nicht mehr da, und wir müssen eine Lösung finden. Ist euch klar, was passiert, wenn die Polizei ihn findet? Er ist misshandelt worden, und ein guter Gerichtsmediziner kann sicher feststellen, dass es mehrere waren. Er hat Drogen und Alk im Leib, das werden sie bei einer Obduktion sofort feststellen. Wir werden alle eingebuchtet. Auch wenn sich nicht beweisen lässt, welcher von uns es war, sind wir fertig. Meint ihr, Stefan kann Arzt werden, wenn herauskommt, dass er einen Jungen totgetreten und Drogen verkauft hat? Glaubt ihr, ich kann Jurist werden? Und was werden eure Eltern sagen, dein Vater, Ulrik? Und Micke, was würde Mamachen wohl machen? Kapiert ihr nicht, wir müssen eine Lösung finden, sonst sind wir fertig.«
    »Und wie zum Teufel sollen wir das wohl machen?« Stefan sah Anders verzweifelt an. »Sollen wir ihn im Garten vergraben? Oder in der Garage verstecken? Hör doch auf. Und was, wenn jemand weiß, dass er zu uns wollte. Kapierst du nicht, dass wir erledigt sind?«
    »Anders hat recht.« Micke setzte sich gerade und sah die anderen an.
    »Wir müssen etwas machen. Wir können das nicht herauskommen lassen. Er muss einfach weg. Meine Mutter kann herkommen und ihn finden … ihr kapiert das nicht, sie kann nicht mehr ertragen. Sie …«
    Micke wandte sich ab und starrte ein mit einem Magnet in Form eines Obstkorbs am Kühlschrank befestigtes Foto von sich und seiner Mutter an. Micke hatte den Arm um sie gelegt, und sie sah ihn an und lächelte.
    »Als mein Alter abgehauen ist, da … hat sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Mit Tabletten. Ich habe sie gefun den, und … sie haben ihr den Magen ausgepumpt, und sie hat überlebt. Aber sie ist noch immer deprimiert, nimmt Medikamente. Sie weint. Sie kommt ohne mich nicht zurecht. Sie sagt, ich sei alles, was sie hat, ihr Leben wäre sinnlos ohne mich. Ich kann ihr das nicht antun.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann das einfach nicht.«
    Was Micke da erzählte, war Stefan neu. Er fragte sich, ob er nicht hätte ahnen sollen, dass in der weißen Villa nicht alles zum Besten stand. Er dachte daran, dass Micke nie lange von zu Hause weg sein wollte, wie sehr er sich um seine Mama kümmerte, weshalb sie ihn ja immer aufzogen, und er dachte an Agneta Arvidssons schmale Finger mit den roten Nägeln, die Micke über die Wange fuhren. Eine intime Geste.
    Er hatte Mickes Sorge und Schmerz hinter der ruhigen Fassade geahnt.
    An einem anderen Tag, einem normalen Tag, hätte er sich jetzt mit Micke hingesetzt und mit ihm gesprochen. Ihn gebeten zu erzählen, versucht zu helfen, wo er helfen konnte. Aber es war kein normaler Tag, und Mickes Probleme mussten warten.
    »Was zum Teufel machen wir also?« Stefan sah die anderen an. »Ich sehe ja ein, dass wir etwas tun müssen, aber was? Es gibt doch Leute, die wissen, dass er hier war. Jemand kann ihn gesehen haben.«
    »Wer kann das wissen? Niemand wusste, dass er hierherwollte. Er hat gesagt, dass er mit niemandem geredet hat, und ich glaube ihm. Er ist von allein gekommen. Niemand wird ihn mit uns in Verbindung bringen.«
    »Aber er hat gestern im Park mit mir und Ulrik geredet. Da kann ihn jemand gesehen haben.«
    Stefan hörte selbst, dass dieser Einwand reichlich lahm klang. Im Grunde wusste er, dass sie die Polizei anrufen müssten. Dass er sein Recht auf ein weiteres Leben in dem Moment verwirkt hatte, in dem Micke den ersten Tritt gegen Nicklas

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