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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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und schaute auf seinen Schritt hinunter. Sah Nicklas Swans Hand an, die langsam und rhythmisch die immer härtere Ausbuchtung drückte und dann vorsichtig zu den Jubelrufen der anderen den Reißverschluss von Mickes Jeans aufzog.
    Auf einmal ging alles sehr schnell. Mickes Knie traf Nicklas Swans Kopf, ehe die anderen bemerken oder begreifen konnten, was da passierte. Nicklas flog rückwärts und knallte mit dem Kopf gegen den Wohnzimmertisch.
    »Ich bin kein Scheißschwuler. Kapierst du? Kapiert ihr?« Mickes Stimme war lauter als die Musik.
    Nicklas Swan hob die Hände, wie um einen weiteren Tritt abzuwehren. Er blutete am Hinterkopf und sah plötzlich blass und verängstigt aus.
    »Ich bin kein Scheißschwuler!« Micke trat wieder zu. Sein Fuß traf Nicklas am Kinn, und ein seltsames Knacken war zu hören. Als ob jemand in einem Wald auf einen trockenen Zweig tritt.
    Nicklas fiel zu Boden und versuchte, etwas zu sagen. Aus seinem Mund flog mit Rotz und Spucke gemischtes Blut. Seine Augen waren groß, schwarz und verängstigt. Stefan wusste nicht mehr, was passierte. Plötzlich wurde Nicklas wieder getreten, aber jetzt trat Ulrik und murmelte dabei etwas. Stefan hörte es wieder und wieder.
    »Du mieser kleiner Schwuler. Du mieser kleiner Schwuler.«
    Und dann waren alle da.
    Ein Tritt. Ein Schlag. Noch ein Tritt.
    Nicklas lag seltsam still auf dem Boden, bewegte sich nur, wenn die Schläge ihn trafen. Und Stefan verspürte es wieder.
    Euphorie. Glück. Seligkeit. Leben. Macht.

Stockholm 2010

»Wir haben ihn umgebracht, Nicklas Swan. Er war hergekommen, zu uns, um Amphetamin zu kaufen. Wir haben so was damals gemacht. Dann …« Micke windet sich, das Stillsitzen fällt ihm schwer. »Alle waren zugedröhnt. Total high. Irgendwer schlug vor, Nicklas sollte mir einen blasen, als Bezahlung. Er griff mir an die Eier. Ich war wütend und rammte ihm mein Knie rein, und gleich darauf fielen alle über ihn her. Traten, schlugen. Ich weiß noch, dass ich ihn gebissen habe. Alle waren wie verrückt.«
    Micke schweigt, schaut verwirrt den großen klobigen Fernseher an, der dem Sofa gegenübersteht. Als wäre der gerade dort gelandet und Micke müsse sich erst klarmachen, wozu der denn gut sein sollte.
    »Aber … warum?«
    »Ich bin kein Scheißschwuler, okay?«
    »Aber jemanden umbringen …«
    »Niemand wollte Nicklas umbringen. Das war ein Versehen, ein großes Versehen … Wir hätten die Finger von diesem Dreck lassen sollen. Wir hätten uns nicht an Nietzsche hochziehen und uns für besser als andere halten sollen. Wir wussten nichts über das Leben, aber wir glaubten, wir könnten alles. Wir hielten uns für stark und cool, und dabei waren wir nur unsichere Drecksbengel. Wir haben ihn getreten, weil wir schwach und ängstlich waren und die Adern voller Drogen hatten.«
    Ich bin stumm vor Schock, weiß nicht, was ich sagen soll. Kann ihm einfach nicht glauben, dass vier ganz gewöhnliche Gymnasiasten sich plötzlich in Monster verwandeln. Und noch schwerer zu verstehen ist, dass eins dieser Monster Stefan war.
    Der Mann, den ich geliebt und dem ich vertraut habe.
    Plötzlich wird mir schlecht, ich mag überhaupt nichts mehr trinken. Der Alkohol macht meinen Körper schwer und träge, und fast wäre mir mein Glas aus der Hand gerutscht, als ich es auf den Tisch zurückstelle. Das Zimmer dreht sich langsam. Ich blinzele mehrere Male. Versuche, meinen Blick auf etwas zu richten, aber das geht nicht. Irgendwo in meinem Magen liegt die Übelkeit auf der Lauer.
    »Herrgott. Ihr habt ihn umgebracht. Ihr habt diesen Jungen umgebracht. Er hatte euch nichts getan, und ihr habt ihn umgebracht.«
    Micke schaut mich an. Seine runden Wangen haben rote Flecken, aber sein Blick ist noch immer leer, hohl.
    »Niemand wollte ihn umbringen«, sagt er noch einmal.
    »Aber ihr habt es trotzdem getan, ihr habt ihn umgebracht. Er war sechzehn Jahre alt, hatte das ganze Leben vor sich, und ihr habt es ihm genommen.«
    Ich massiere mir die Schläfen. Hinter den Augen ahne ich einen dumpfen Schmerz. Ich werde überwältigt von einem Gefühl der Unwirklichkeit, als passiere das alles hier einer anderen, nicht mir. Es ist wie ein Film, ein Buch oder so.
    Nur nicht mein Leben.
    Er sitzt noch immer bewegungslos da. Seine groben Hände ruhen still auf seinen Knien.
    »Wir wollten das nicht«, murmelt er wie ein Kind, das soeben seine Milch umgestoßen hat, und nicht wie ein erwachsener Mann, der am Tod eines anderen Menschen beteiligt war.
    »Ich

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