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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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war. Er merkte plötzlich, dass Ulrik ihn ansah, und in Ulriks Blick sah er Verständnis und Trauer und wusste, dass sie den Schmerz für den Rest ihres Lebens teilen würden.
    Anders ließ den Motor an und lenkte das Boot mit geübter Hand vom Anleger weg. Er war am Wasser aufgewachsen und hatte seit seiner Kindheit Motor- und Segelboote gesteuert. Jetzt fuhren sie langsam auf das offene Meer hinaus. Stefan kannte sich im Schärengürtel nicht sonderlich gut aus und wollte auch gar nicht wissen, wohin die Fahrt ging.
    Jetzt wollte er nur alles hinter sich bringen. Er sehnte sich nach Hause. Sehnte sich nach seinem Bett und nach einer Tasse Tee am Küchentisch, zusammen mit seiner Mutter. Er schaute auf das Wasser hinaus und auf die Inseln, an denen sie vorüberkamen. Alles sah schön und idyllisch aus.
    Aus der Ferne sahen sie sicher wie junge Männer auf einem harmlosen Bootstörn aus. Ihnen begegneten nur wenige Boote, einige Segler, die bei dem ruhigen Wetter mit Motor fuhren, und eine Fähre, die auf irgendeinen Anleger zuhielt. Der richtige Ansturm hatte noch nicht eingesetzt. Die Stille war kompakt, als hätten sie einander nichts mehr zu sagen. Vielleicht war das ja auch so. Es gab nichts mehr zu sagen. Die Freundschaft und alles, was sie geteilt hatten, waren jetzt verschwunden. Er sah die anderen an: Micke saß in sich zusammengekrochen da und starrte mit ernster Miene auf das Meer hinaus, seine Haare flatterten im Wind.
    Anders’ breiter Rücken. Seine Haltung aufrecht und stolz. Als spüre er, dass er angeschaut wurde, drehte er sich um und schaute Stefan in die Augen, lächelte ein wenig, fast bedauernd. In Anders’ Blick sah Stefan Trauer. Ulrik schaute das Deck an, sah einsam und verstimmt aus. Wie ein kleines Kind, das seine Eltern auf einem langweiligen Ausflug begleiten muss.
    Dann schaltete Anders den Motor aus. Sie waren irgendwo vor Vaxholm. Auf den umliegenden Inseln war kein Haus zu sehen. Kein Haus und kein Boot.
    »Hier, glaube ich.« Anders zeigte vage aufs Wasser und vertiefte sich dann in eine Seekarte.
    »Es ist tief genug und liegt ziemlich abseits. Na los. Helft mir mal, Micke, Stefan.«
    Er ließ sich nicht einmal dazu herab, Ulrik zu bitten, und der kehrte ihnen demonstrativ den Rücken zu und schaute zu den Inseln hinüber. Gemeinsam konnten sie das Bündel in dem blauen Flickenteppich über die Reling bugsieren. Das Wasser spritzte hoch auf, als das Bündel auf der Oberfläche aufschlug, und Stefan spürte den Geschmack des Salzwassers auf den Lippen.
    Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er,
    fällt er in den Sumpf, dann macht der Reiter plumps.
    Er schaute ins Wasser hinab, glaubte, den Körper zu erahnen, stellte sich vor, wie Nicklas Swan langsam zu Boden sank, immer tiefer in dem schwarzen Wasser, viele Meter unter ihnen. Er hörte, wie Micke ausatmete. Ein langer Seufzer, die unterdrückte Angst vieler Stunden.
    »Das wär’s dann. Jetzt fahren wir nach Hause«, sagte Anders ebenso informationsorientiert und sachlich wie zuvor.
    »Warte, seine Sachen.« Stefan griff nach Schlüsseln und Feuerzeug, warf sie ins Wasser, zerriss die Monatskarte in kleine, kleine Fetzen, ließ sie vom Wind fangen. Dann schaute er das Passbild des schönen, dunkelhaarigen Mädchens an. Aus irgendeinem Grund brachte er es nicht über sich, es wegzuwerfen. Er steckte es in die Jackentasche, dann nickte er.
    »Das wär’s dann wirklich. Wir können losfahren.«

Stockholm 2010

Micke beugt sich über mich, die Pistole in der Hand. Der Schnee fällt jetzt stärker. Im schwachen Mondlicht sehe ich, dass Mickes graue Haarsträhnen von einer dicken Schneeschicht bedeckt sind. Zuerst glaube ich, dass er mich erschießen will, aber dann bewegt er sich, hebt die Hand.
    Ich stütze mich auf den unverletzten Arm, drehe mich um, versuche aufzustehen. Ich komme halbwegs zum Sitzen und lehne den Kopf an die Wand. Langsam gewinnt die Welt wieder Konturen, wird schärfer. Der Schnee verschwindet, der Mond verwandelt sich in eine staubige Deckenlampe.
    Micke steht noch immer vor mir, neben dem leblosen Körper seiner Mutter.
    Er hebt die Pistole, richtet sie auf sich selbst.
    »Micke, nein. Es braucht nicht so zu enden.«
    »Das verstehst du nicht«, flüstert er. »Ich hätte es schon längst tun sollen. Es ist auch nicht wirklich. Ich bin doch schon tot.«
    Er schiebt sich den Lauf in den Mund, schließt die Lippen um das mattschwarze Metall, sieht mich an. Seine Augen sind dunkel und leer. Ein

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