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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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fuchtelte mit den Händen und nickte zu Stefan hinüber. Agneta nickte langsam, und Micke umarmte sie. Er gab Stefan ein Zeichen zu warten, dann griff er zu den Einkaufstüten und trug sie zum Haus. Agneta folgte ihm mit ihrer Reisetasche.
    Stefan saß im Auto und betrachtete die Häuser in der Nachbarschaft. Alles kam ihm ruhig vor. Zwei kleine Mädchen fuhren mit dem Rad an ihm vorbei, und weiter hinten auf der Straße kam ein Paar mit einem Blumenstrauß, offenbar auf dem Weg zum Essen bei irgendwelchen Nachbarn.
    Sonst nichts, nur Ruhe.
    Er sah, wie Micke mit einem Bündel in der Hand wieder aus dem Haus kam. Etwas an der gespannten Haltung seines Freundes ließ ihn zusammenfahren. Dann sah er, was Micke da anbrachte. Nicklas Swans schwarze Jacke und die verschlissenen weißblauen Turnschuhe. Micke ließ sich auf den Fahrersitz sinken und schaute die Kleider auf seinen Knien an.
    In Stefan stieg wieder die Übelkeit auf. Er konzentrierte sich darauf, nicht zu kotzen. Füllte seinen Kopf abermals mit Kinderversen.
    Fällt er in den tiefen Schnee, dann gefällt’s ihm nimmermeh.
    »Meine Mutter hat die Jacke gesehen und wollte wissen, wem die gehört. Ich habe gesagt, es sei deine, du hättest sie vergessen. Wie zum Teufel konnten wir die übersehen?« Seine Stimme klang jetzt schrill, und er sprach sehr schnell.
    »Wenn wir die Klamotten übersehen haben, was haben wir noch alles übersehen? Das hier geht nie im Leben gut. Wir kommen damit nicht durch.« Er schüttelte den Kopf. Stefan ahnte, dass er kurz vor dem Durchdrehen stand.
    »Fahr. Denk jetzt nicht daran. Fahr einfach.« Stefan versuchte, entschieden und ruhig zu klingen, etwas von Anders’ Autorität nachzuahmen, aber in Gedanken wiederholte er Mickes Worte. Das hier geht nie im Leben gut. Nie im Leben.
    Das Motorboot lag an einem alten Steinanleger vertäut. Stefan und Ulrik saßen auf einer Mauer, als sie mit dem Wagen vor der alten Fabrik aus rotem Klinker vorfuhren. Das Meer war ruhig, fast spiegelglatt, und das Wasser funkelte in der Abendsonne. Auf der anderen Seite von Värtan waren die großen Häuser mit den Strandgrundstücken auf Lidingö zu ahnen. Sie hörten nur einen einsamen Vogel und die Wellen, die leise gegen den Anleger schlugen. Die Gegend war verlassen. Stefan wusste aus Erfahrung, dass hier selbst im Hochsommer nur wenig los war, und jetzt im Mai konnte man sich nur schwer vorstellen, dass jemand hier etwas zu suchen haben könnte. Anders sprang von der Mauer und kam auf sie zu, dicht gefolgt von Ulrik. Ulrik sah bleich und krank aus und wich Stefans Blick aus.
    »Alles ruhig?«
    Stefan nickte und lugte wider Willen zur Rückbank hinüber. Auf der ganzen Fahrt hatte er versucht, nicht daran zu denken, was im Kofferraum lag, aber jetzt holte ihn die Wirklichkeit wieder ein. Micke sagte nichts, schaute nur vor sich hin auf das Wasser. Er hatte kein Wort gesagt, seit sie Lidingö verlassen hatten.
    Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben.
    »Na gut, dann los. Wir machen das hier, dann können wir danach gleich losfahren.« Anders war noch immer der Anführer, und Stefan war erleichtert, dass ihm die Verantwortung erspart blieb. Und dass er alles Anders überlassen konnte.
    Gemeinsam trugen sie das Bündel vom Kofferraum zu dem wartenden Boot. Anders’ Vater hatte einen schönen alten Motorkreuzer aus Holz, den er sorgfältig und liebevoll pflegte. Die Vorstellung, dass dieses Boot jetzt benutzt werden sollte, um einen Leichnam in der Tiefe zu versenken, wirkte bizarr. Anders und Ulrik hatten sich gut vorbereitet. Sie hatten eine schwere Metallkette besorgt, die sie jetzt immer wieder um den blauen Flickenteppich wickelten.
    Micke hatte Nicklas Swans Kleider mitgebracht, und Stefan ging die Jackentaschen durch. Ein rotes Feuerzeug, zwei Schlüssel. Eine Monatskarte für den Bus, mit einem schwarzweißen Foto von Nicklas.
    Alltägliche, ganz normale Dinge, die jetzt verschwinden mussten. In der Plastikhülle der Monatskarte lag ein abgegriffenes Foto. Stefan zog es heraus. Ein Mädchen, etwas jünger als er selbst, mit kurzen dunklen Haaren und schönen schwarzen Augen. Er drehte es um. Auf der Rückseite stand »Alicia HT -87«. Mehr nicht. Er hätte gern gewusst, wer sie wohl war. Eine, die Nicklas etwas bedeutet hatte. Das war immerhin klar.
    Übelkeit und Angst stiegen wieder in ihm auf. Nicklas war tot und würde im Wasser verschwinden, und wenn alles nach Plan ginge, würde niemand jemals erfahren, was mit ihm passiert

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