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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Lichtkegeln sehe ich braunes Gras und starrgefrorene Pfützen. Was zwischen den Laternen ist, kann ich nicht sehen. Ich bekomme eine Gänsehaut. Links zieht sich die Bucht dahin, nach Rönnskär und weiter zum Meer hinaus, wie eine endlose schwarze Zunge. Ich sehe nirgendwo jemanden, weder Mensch noch Tier.
    Ich beschließe kehrtzumachen und nach Hause zu laufen.
    Obwohl ich nicht die ganze Strecke geschafft habe, sind Erik und Markus schon nach Hause gekommen. Ich kann sie schon aus der Entfernung durch die großen Glasfenster sehen. Markus beugt sich über den Küchentisch. Erik reckt sich vergeblich nach etwas, das auf dem Tisch liegt.
    »Bist du gelaufen?«
    Markus macht ein überraschtes Gesicht. Er weiß, dass ich nicht regelmäßig trainiere. Aber zugleich sieht er zufrieden aus. Für ihn, wie für die meisten Polizisten, ist physische Aktivität eine Selbstverständlichkeit, und er hat mir oft vorgeschlagen, mehr zu trainieren. Als ob das alle Probleme lösen könnte.
    »Ich musste nach der halben Strecke aufgeben.«
    »Bei den ersten drei Runden ist das immer so. Bald schaffst du die ganze Strecke. Wie weit wolltest du denn laufen?«
    »Zehn Kilometer.«
    Er hebt die Augenbrauen.
    »Warum zehn Kilometer? Du müsstest mit einer kürzeren Strecke anfangen. Fünf wäre vielleicht genug. Oder drei?«
    Ich nicke, spüre, wie meine Wangen heiß werden, weil es im Haus warm ist, aber auch weil ich mich schäme. Denn jetzt kann ich nicht erzählen, was das eigentliche Ziel der Joggingrunde war.
    Ich küsse ihn rasch auf die Wange, laufe ins Schlafzimmer, lasse meine Jacke fallen und schaue mich um. Markus schneidet Salat und wirkt beschäftigt. Rasch ziehe ich das T-Shirt mit dem The Smiths -Aufdruck aus, rolle es zu einem kleinen Ball zusammen und lege es in meinen Nachttisch.

Dienstagmorgen. Es sind mehrere Grad über null, und die Verheißung des Frühlings wird immer stärker. Das Licht ist wieder da. Morgens werden wir vom Gesang der Vögel geweckt. Wassertropfen schlagen auf die Fensterbank.
    Ich habe Erik in der idyllischen Kita bei Gustavsberg abgeliefert und bin unterwegs in die Stadt. Um ein Uhr kommt der erste Klient, aber vorher haben wir noch eine Besprechung. Ich weiß, dass Markus sich ärgern würde, wenn er wüsste, was ich vorhabe, aber er braucht es ja nicht zu erfahren. Ich mache das hier ja nur meinetwegen. Meinetwegen und um die auffordernden Stimmen zum Verstummen zu bringen, die sagen, ich müsse begreifen, wissen warum.
    Was spielt es für eine Rolle, ob ich mich mit Anders Holmbergs Vater treffe? Wem kann das denn schaden?
    Ich fahre über die vielen Brücken auf dem Weg in die Stadt, noch immer liegt Eis, aber bald wird es bersten, und die Wasserwege werden sich mit eleganten Segelbooten und klobigen motorbetriebenen Monstern füllen.
    Ich bin unterwegs nach Lidingö, wo Bengt und Maud Holmberg wohnen. Es war nicht schwer, sie zu finden. Ihre Namen standen in den Artikeln über den Mord, und danach brauchte ich nur zu googeln. Ein kurzer Anruf mit der Erklärung, wer ich bin, und die Bitte, sie zu Hause aufsuchen zu dürfen.
    Ich bin nervös. Mein Magen krampft sich zusammen. Als ich die Lidingöbrücke hinter mich gebracht habe, suche ich mir meinen Weg durch die verschlungenen Straßen von Torsvik, bis ich die protzige Steinvilla gefunden habe, in der Bengt und Maud wohnen. Das schöne hellrosa Haus sieht aus wie aus einem Märchen entsprungen und liegt halb versteckt hinter wintergrünen gestutzten Hecken auf einem geräumigen Grundstück. Ich steige aus dem Wagen und gehe über den gepflegten und mit Sand bestreuten Weg.
    Die Türglocke ist aus Messing und sieht frischgeputzt aus, mein Finger hinterlässt einen Fettfleck, und vor meinem Inneren sehe ich eine Frau in Zofentracht, die ihre Tage mit dem Putzen von Türklinken zubringt.
    Die Tür wird sofort geöffnet, als habe hinter der kräftigen Holztür schon jemand gestanden und gewartet. Mit seinen langen mageren Beinen und dem gebeugten Oberkörper erinnert der Mann vor mir an einen klapprigen Vogel. Er nimmt meine Hand und presst sie, hält sie ein wenig zu lange fest. Zugleich mustert er mich durch seine starke Brille mit Schildpattfassung, stellt sich als Bengt vor und bittet mich ins Haus.
    Von innen ist das Haus ebenso schön wie von außen. Abgeschliffener Holzboden, tiefe Fensternischen und hohe Wände. Wir setzen uns in ein Zimmer voller Bücherregale, in denen sich Titel von Freud, Klein und anderen wichtigen Namen der

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