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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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doch lieber.«
    Ich bin für einen Moment traurig. Aina spottet über die Zweisamkeit, das Leben, das ich mir ausgesucht habe, ohne das ich nicht sein will. Ich verstehe, warum sie das tut, aber ich fühle mich verletzt.
    »Es gibt auch draußen im Brei-Dschungel guten Sex und intellektuellen Austausch.«
    Aina schaut erschrocken auf.
    »Aber Siri, ich wollte dich doch nicht kritisieren. Wirklich nicht. Ich sehe ja, dass du mit Markus glücklich bist. Dass ihr zusammen ein gutes Leben habt. Es ist nur … für mich geht das nicht so. Ich will nicht, was du hast, und das muss doch nicht falsch sein.«
    »Was willst du dann?«
    Aina springt von der Fensterbank und zieht das Fenster zu. Trinkt einen Schluck von dem Rotwein, der in dem trüben Licht fast schwarz aussieht.
    »Weißt du, was mir an diesem verdammten Knoten in meiner Brust vor allem Angst macht?« Ihr Blick ist jetzt finster. Die Augen groß und blank. Ich schüttele den Kopf, lasse sie weiterreden.
    »Die Vorstellung, dass ich schwach und krank werden könnte. Mich nicht selbst versorgen. Anderen zur Last fallen. Ich habe keine Angst vor Verantwortung oder davor, für andere da zu sein, aber ich ertrage es nicht, nicht selbst zurechtzukommen. Ich werde gern gebraucht, aber ich will nicht brauchen.«
    Tränen laufen über Ainas Wangen, und ich beuge mich zu ihr vor, nehme ihr Handgelenk. Was sie sagt, ist so richtig. Solange ich Aina schon kenne, war sie immer für andere da. Immer hat sie zugehört, getröstet, war da. Aber nie hat sie um etwas gebeten.
    »Aber warum ist das so schrecklich?«
    Aina fängt an zu kichern, befreit sich von meiner Hand, wischt sich mit dem Handrücken die Tränen ab.
    »Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Und was würde das dann bedeuten? Bla, bla, bla … Du bist nicht meine Therapeutin, Süße. Ich kann dir keine Antwort geben. Ich will einfach nicht schwach sein, okay? Wir scheißen jetzt darauf. Wie laufen deine Ermittlungen? Hast du noch mehr rausgefunden?«
    Ainas plötzlicher Themenwechsel verwirrt mich. Sie hat bisher nichts über Anders Holmberg oder Stefan hören wollen, und die Tatsache, dass sie es jetzt tut, macht mir klar, dass sie noch viel weniger über Schwäche, Einsamkeit und Krankheit reden will.
    »Ich habe mich mit seinem Vater getroffen, dem Vater von Anders Holmberg. Ich weiß, dass du wütend sein wirst, aber so war das jedenfalls.« Ich starre die Tischplatte an, lasse meine Finger an meinem Tonic-Glas auf und ab wandern. Die Küche ist fast ganz dunkel. Nur einige Kerzen brennen, und das fehlende Tageslicht scheint die Wirklichkeit zu verändern, sodass wir über Dinge sprechen können, die in unserem normalen Leben Sperrgebiet sind.
    »Ich verstehe einfach nicht, warum du das tust.« Ainas Stimme ist weich, fast mütterlich. »Was glaubst du, was du dabei erfahren kannst? Es gibt doch absolut keinen Hinweis darauf, dass Stefan mit diesem Mord etwas zu tun gehabt haben könnte.«
    »Ich glaube, sie haben sich getroffen, ehe Anders Holmberg erschossen worden ist. Ich kann nur nicht verstehen, warum Stefan mir das nicht erzählt hat. Er war bei der Beerdigung, hat den Vater getroffen, die Familie. Ich verstehe das nicht, warum hat er nichts gesagt? Es ist so … unlogisch.«
    »Kann sein, aber es braucht doch nicht zu bedeuten, dass Stefan etwas mit dem Mord zu tun hatte. Stefan war depressiv, zutiefst depressiv. Er hat dir vielleicht tausend verschiedene Dinge verschwiegen. Wir werden das nie erfahren. Und das musst du akzeptieren. Dass du es niemals erfahren wirst.«
    »Ich will das nicht akzeptieren. Ich kann das nicht akzeptieren. Ich muss wissen, warum Stefan gestorben ist.«
    Ich spreche die Wahrheit aus, die schon so lange in mir gelegen hat. Ich hatte sie für mich behalten. Sie unter Schichten aus Erklärungen und scheinbar klugen Wörtern versteckt. Darüber hinwegkommen, weitergehen, akzeptieren. Wörter, nichts als Wörter.
    »Und wenn du es nicht herausfinden kannst?«
    »Dann habe ich es immerhin versucht. Ich weiß nicht, Aina, aber hier stimmt etwas nicht. Das weiß ich. Ich war verdammt viele Jahre mit Stefan zusammen, und nie habe ich über Anders Holmberg oder jemanden anderen vom Gymnasium gehört. Das ist seltsam. Ich finde alte Fotos, die ich nie gesehen habe. Ich bekomme Einblick in Teile von Stefans Leben, von denen ich nichts wusste. Ich glaube langsam, dass ich ihn überhaupt nicht gekannt habe. Dass er mir Dinge verheimlicht hat. Anders Holmberg wurde ermordet, und

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