Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
gelaufen?«
Ohne zu antworten nickte Ulrik zur Tanzfläche hinüber.
Stefan schaute auf das Meer aus Menschen, das hüpfte, wogte und sich aneinander rieb. Dann sah er sie.
Mirjam und Harald. Engumschlungen mitten auf der Tanzfläche. Sie bewegten sich kaum. Mirjam legte den Kopf in den Nacken, sodass die langen Haare ihr bis ins Kreuz fielen. Harald beugte sich über sie und versteckte sein Gesicht in ihren Haaren, seine Hände lagen wie angewachsen auf ihrem Hintern. Es sah aus, als ob er sie massierte.
»Huch«, sagte Stefan.
»Dieser verdammte Drecksschwule kriegt eins auf die Fresse«, murmelte Ulrik verbissen.
»Sieht ja so aus, als ob er nicht mehr aufs Arschficken versessen ist.«
»Willst du auch eine verpasst bekommen?«
Stefan hob abwehrend die Hand.
»Zieht der Stoff dich runter, oder was?«
Ulrik sagte nichts, aber sein Mund war zu einer Grimasse verzogen und die Wangenmuskeln arbeiteten energisch, als ob er auf etwas Zähem herumkaute.
»Ich geh raus, kommst du mit?«
Als Ulrik keine Antwort gab, machte Stefan kehrt und ging durch das Meer aus verschwitzten, berauschten Körpern auf den Ausgang zu. Frische, nachtfeuchte Luft schlug ihm entgegen. Es duftete nach Flieder, feuchter Erde und etwas, das er nicht identifizieren konnte. Schwer und honigähnlich erfüllte es den Park. Das rote Gartenhaus war erleuchtet, und vor den Torpfosten brannten Fackeln.
Er setzte sich auf eine Bank unter einen Baum und nahm sich eine Zigarette.
Trotz des Kokainrausches verspürte er ein leises unangenehmes Gefühl von Neid.
Anders hatte alles.
Alles gelang ihm.
Stefans eigene Eltern waren durchaus nicht arm, sie gehörten zur wohlhabenden und gesicherten Mittelklasse, aber ihre Wohnung in Vasastan wirkte schäbig im Vergleich zum Haus von Anders’ Eltern. Die schöne Villa auf Lidingö blickte auf das Meer, und vor der Garage stand Papas frischgewaschener Porsche.
Stefan blinzelte und zog an der Zigarette. Vielleicht sollte er sich ein anderes Studienfach suchen. Er wollte zwar am liebsten Arzt werden, aber Ärzte wurden nicht reich. Nicht so reich. Nicht wie Anders’ Vater. Doch er wusste ja, dass dieser Gedanke oberflächlich und banal war. Er hatte immer schon Arzt werden wollen. Es hatte nichts mit Geld oder Status zu tun, sondern mit einer Faszination für die Möglichkeiten und Fähigkeiten des menschlichen Körpers, verbunden mit einer diffusen Sehnsucht danach, etwas Gutes zu tun. Anderen zu helfen, einen Unterschied auszumachen.
Aber hier in Anders’ Garten schlich sich der Neid bei ihm ein. Die Sehnsucht danach, einmal ein ebenso großes Haus zu haben, ein ebenso schnelles Auto. Die Vorstellung von totaler finanzieller Unabhängigkeit wirkte verlockend.
Der Wunsch, gesehen, respektiert und vielleicht auch beneidet zu werden.
Er dachte an Calle Cederborg, der ein Jahr zuvor sein Abitur gemacht hatte und in Papas Rolls Royce von der Schule abgeholt worden war. Oder an Eric Creutz aus seiner Klasse, der in einer Prachtwohnung auf Östermalm wohnte und auf dem Norra Real angefangen hatte, nachdem er von Lundsberg geflogen war. Strohdumm zwar, schaffte nicht mal die grundlegendste Chemie und begriff weder Philosophie noch Sozialkunde. Würde vermutlich in den meisten Fächern miese Noten holen.
Aber was spielte das für eine Rolle?
Er war mit dem hübschesten Mädchen der Schule zusammen. Nach dem Abitur würde er eine Stelle im Finanzimperium seines Vaters bekommen, und es würde ihm niemals an etwas fehlen. Nicht an Geld. Nicht an Frauen.
Aber dennoch war Eric fast schon zurückgeblieben, und kein Geld auf der ganzen Welt könnte daran etwas ändern.
Stefan lächelte. Er würde in allen Fächern die besten Noten bekommen, und das bedeutete, dass er sein Schicksal beeinflussen könnte. Während Eric Creutz also reich und blöd war, würde er selbst reich und gescheit sein.
Er lachte vor sich hin, und der Glücksrausch stellte sich wieder ein. Die Welt gehörte ihm, und er würde sie erobern. In welcher Form, würde sich noch herausstellen. Im Notfall könnte er ja Schönheitschirurg werden, die verdienten Geld wie Heu und machten die Menschen froh.
Das wäre immerhin ein Ausweg.
Plötzlich hörte er Stimmen, und unbewusst duckte er sich, verschwand im Schatten unter der großen Eiche, bei der die Bank stand. Es waren Anders und Magdalena, die engumschlungen um das Haus gingen. Es war wie ein Tritt in den Bauch. Und doch typisch Anders. Er hatte Stefan und Magdalena bei Lindquist
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