Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
lächeln und schaute zu den Frisbeewerfern hinüber. Micke stimmte unsicher in das Lachen ein. Stefan wusste sehr gut, dass Mikael, obwohl er den erfahrenen Weltmann zu spielen versuchte, nur überaus begrenzte Erfahrung mit Mädchen hatte. Zwei Jahre zuvor hatte er in den Sommerferien beim Sprachkurs in Frankreich mit einem Mädchen geschlafen, viel mehr war nicht passiert. Was Stefan, Ulrik und Anders ihn auch nicht vergessen ließen. An Micke war eigentlich nichts auszusetzen, er war absolut in Ordnung. Und er war im Grunde der Intelligenteste von ihnen.
Außerdem war Micke ein wirklich guter Freund. Einer, der immer zuhörte und auf den immer Verlass war. Ihm fehlten Anders’ selbstsichere Überlegenheit und Ulriks sture Besserwisserhaltung. Doch das machte ihn zu einem angenehmeren Umgang. Nur wenn Mädchen dabei waren, war er schüchtern und gehemmt und zog sich oft zurück, anders als Stefan oder Anders.
»Hör doch auf, Steffe. Ich weiß, dass etwas passiert ist. Aber was?«
Stefan seufzte und nickte zu Anders hinüber.
»Frag den Philosophen mit dem Frisbee. Der weiß das.«
Stefan sah, dass Micke verwirrt blinzelte. Er schaute Stefan misstrauisch an und musterte dann abermals Anders.
»Anders, komm her und erzähl, was auf dem Fest passiert ist.«
Mickes Rufen brachte Anders dazu, den orangefarbenen Frisbee fallen zu lassen, zu ihnen zu kommen und sich vor Stefan und Micke ins Gras zu setzen. Ulrik kam hinterher, ließ sich neben Anders fallen und schlug die mageren, von Mücken zerstochenen Beine übereinander.
»Micke will wissen, was mit Magdalena passiert ist. Er fragt, ob ich einen Fick abbekommen habe.« Stefan versuchte, wieder zu lächeln, obwohl die Übelkeit und das schlechte Gewissen es ihm schwer machten, unberührt zu wirken. »Erzähl du, Anders. Ich bring das nicht.«
»Ich kapier das nicht, Micke. Wie kann ein Typ wie du, mit Lidingös heißester Mutter, so eine kleine Unschuld sein? Magst du Mädchen nicht, oder was?«
Anders legte den Kopf schräg und musterte Micke teilnahmsvoll.
»Oder ist deine Mama das Problem?«
Er lachte, und in seinen Augen war etwas zu sehen, Genuss vielleicht, Befriedigung, weil er Micke in Verlegenheit gestürzt hatte.
»Hör doch auf, er kann doch nichts dafür, dass er Mrs Robinson zur Mutter hat.«
Ulrik versetzte Anders einen leichten Stoß, und Stefan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mickes Mutter sah gut aus und flirtete außerdem ein wenig zu gern.
»Keine Panik, Micke. Stefan hat Magdalena gevögelt. Ich weiß es genau, ich war nämlich dabei, wenn du verstehst, was ich meine. Wir durften beide mal ran, könnte man sagen.«
Anders lachte, und Stefan stimmte ein. Aber er dachte an Magdalenas Augen. Diesen Blick. Wie ein Licht, das gleichsam erlosch. Die Resignation. Das Bild war unangenehm, und er kniff die Augen zusammen, versuchte, es abzuschütteln, konzentrierte sich stattdessen auf Mickes verdutzte Miene. Seinen halboffenen Mund.
»Also. Hattet ihr … einen Dreier oder was? Auf dem Fest?« Micke klang skeptisch, als sei er nicht sicher, ob Anders die Wahrheit gesagt habe und ob Stefan sich über ihn lustig mache. Anders nickte und trank noch einen Schluck Bier.
»Es war super. Magdalena ist eine tolle Frau. Ein richtig guter Fick.«
Stefan schaute in eine andere Richtung und verspürte, wie seine Verachtung wuchs. Er hätte aufspringen und die Wahrheit sagen müssen. Dass Magdalena so betrunken gewesen war, dass sie kaum stehen konnte. Dass er und Anders die Lage ausgenutzt hatten. Aber das schaffte er nicht. Anders war doch sein bester Freund, immer loyal. Stand auf Stefans Seite. Und vielleicht hatte Anders recht. Vielleicht war das Ganze nur eine Bagatelle, etwas, woran er sich in zehn Jahren mit einem Lächeln erinnern würde. Vielleicht sollte er weniger problematisieren und lieber auf Anders hören. Dessen lässige Haltung übernehmen.
»Was für eine kleine Hure!« Ulrik schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem blassen Handrücken über die Stirn. »Verdammt, mit der würde ich nicht schlafen wollen. Ist euch nicht klar, wie viele vor euch dran gewesen sein können? Widerlich!«
»Du bist nur neidisch, weil Mirjam mit Harald geknutscht hat.«
Anders sagte das wie eine Feststellung, als ob es ganz sicher zuträfe. Dann beugte er sich vor und nahm sich eine von Stefans Zigaretten, gab sich mit Stefans altem Zippo Feuer und inhalierte tief.
»Habt ihr denn Pariser benutzt?« Micke achtete nicht auf Anders und
Weitere Kostenlose Bücher