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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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sie fast zu sehen waren.
    » At ingenium ingens inculto latent hoc sub corpore «, sagte Ulrik leise und grinste seinen Vater an.
    »Was sagst du da?«
    Unsicherheit legte sich auf Kjell Lundins Gesicht. Ulriks Vater war ein Selfmademan. Ein Mann, der das Leben mit Sturheit und Kraft anging, dem aber die akademische Bildung fehlte. Das war der einzige Bereich, wo Ulrik ihn besiegen konnte.
    »Eine gesunde Seele in einem gesunden Körper. Du hast recht, Paps. Ich werde also auf die Bahn schreiten.« Ulrik lächelte plötzlich und senkte unterwürfig den Kopf. Sein Vater erwiderte das Lächeln zufrieden und leicht verlegen, dann ging er lachend auf die Verandatür zu. Als er im Haus verschwunden war, schüttelte Ulrik den Kopf und griff nach einer von Stefans Zigaretten. In seinem Blick lag Trotz und noch etwas anderes: Abscheu, Hass.
    »Was hast du zu ihm gesagt?« Stefan schaute Ulrik fragend an, musterte dessen verbissenes Gesicht.
    »Aber eine große Begabung verbirgt sich in diesem ungepflegten Leib.« Micke spulte rasch die wahre Bedeutung des lateinischen Zitates ab. »Oder was?«
    Ulrik schnitt eine Grimasse und nickte zur Bestätigung.
    »Na gut, Jungs, jetzt scheißen wir auf meinen Alten. Will hier irgendwer joggen, oder trinken wir noch ein Bier?«
    Die anderen lachten, und Ulrik stand auf, um eine neue Runde Bier zu holen. Micke nickte zu Stefans Bierflasche hinüber, die noch immer halbvoll war.
    »Darf man mal kosten, oder kriegt man dann Aids?«
    Stefan kniff die Augen zusammen.
    Ein fast perfekter Tag.

Stockholm 2010

Aina ruft an, als ich nach Hause fahre. Der Bus ist überfüllt und wegen des Schnees verspätet, und ich kann nur mit Mühe mein Mobiltelefon aus der Tasche ziehen.
    Sie klingt munter. Nein, die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sie ist nur guter Laune. Sie erklärt, dass sie eingesehen hat, dass sieunterVerfolgungswahn litt, sich alles nur eingebildet hat. Natürlich ist sie nicht krank. Kann ich das verstehen, kann ich ihr verzeihen, dass sie so unmöglich war?
    Wir reden eine Weile. Als ich das Gespräch beende, spüre ich, wie sich in mir eine Wärme ausbreitet. Aina geht es gut. Ich glaube, mir war gar nicht klar, wie sehr mich die ganze Geschichte mit diesem Knoten beeinflusst hat. Sie bedeutet mir mehr, als ich vielleicht zugeben mag. Sie ist meine beste Freundin und die Einzige, die wirklich zu mir gehalten hat, als Stefan gestorben war.
    Ich weiß noch, wie sie mit mir zur Krankenhauskapelle gegangen ist, um Abschied zu nehmen. Zuerst wollte ich nicht hineingehen, aber sie nahm meine Hand und versprach mir, ich dürfte die Augen zukneifen, wenn es zu schlimm wäre. Sagte, sie würde für mich sehen, für mich spüren. Aber so schlimm war es dann gar nicht. Er hatte nicht sehr lange im Wasser gelegen, er sah fast normal aus. Nur unnatürlich blass wie eine Wachspuppe. Die Lippen farblos, dünner als in meiner Erinnerung. Die Haut so kalt. Haut soll nicht kalt sein, sie soll warm sein, weich, flaumig und vielleicht ein bisschen feucht.
    Nicht kalt.
    Das Einzige, das verriet, was geschehen war, war die winzige grüne Strähne aus Seegras, die in seinem einen Ohr steckte und sich zu einem Ball aufgerollt hatte. Die hatten sie übersehen, als sie ihn fertig gemacht hatten. Und da wurde mir klar, dass mein Mann wirklich ertrunken war. Dass er tot war. Dass er auf dem Meeresgrund gelegen hatte, im Dunkeln, zwischen Seegras und Fischen und Gewürm ohne Namen.
    Die Beine gaben unter mir nach, und ich griff nach dem Metallrahmen der Bahre, vom Geruch von Blumen und Reinigungsmittel wurde mir plötzlich ungeheuer schlecht. Ich wäre fast auf das graue Linoleum gestürzt. Aber Ainas starke Arme waren schneller. Sie fing mich auf, rettete mich, schaffte das, was ich selbst nicht schaffte. War genauso stark, wie sie das versprochen hatte.
    Markus ist noch immer sauer, als ich nach Hause komme. Ich weiß es schon, ehe ich den Schlüssel in die Tür stecke, denn er hat den ganzen Weg bis zur Tür vom Schnee befreit. Ich kann ihn vor mir sehen, wütend, wie er hektisch den Schnee beiseiteschaufelt. Und Erik, der quengelig daneben auf dem Boden sitzt, die runden Wangen rot vor Kälte.
    Erik steht in der Tür, er hält seinen Bagger in der Hand und sieht froh aus.
    »Hallo, Liebling.«
    Ich gehe in die Hocke und küsse ihn auf die Wange. Er lacht, windet sich wie ein Regenwurm, weg von mir.
    »Neiiiin, kein Kuss, Mama.«
    Dann steht Markus vor mir. Er sieht müde aus, trocknet mit einem

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