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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Küchenhandtuch eine Plastikschüssel. Mir geht auf, dass er wirklich sauer sein muss, wenn er nicht nur Schnee geschaufelt hat, sondern auch gespült.
    »Du hast gestern den Abwasch vergessen«, sagt er, ehe er sich umdreht und wieder in die Küche geht.
    Im Schlafzimmer steht noch immer der Karton mit Stefans Sachen. Er scheint mich anzusehen. Ich beschließe, ihn noch an diesem Abend auf den Dachboden zu bringen. Wenn die Erde nicht mehr gefroren ist, werde ich ihn im Garten begraben. Dann wird die Vergangenheit einfach vergangen sein, Stefan wird ein für alle Mal aus meinem Leben verschwinden, und abermals wird sich Ruhe über die kleine Bucht am Meer senken, die ich so liebe und die ich zu meinem Zuhause gemacht habe.
    Nachts liege ich lange wach. Es ist seltsam still, ein scharfer Kontrast zum tobenden Sturm in der Nacht davor. Jetzt höre ich nur das Brummen und Seufzen des Kühlschranks in der Küche.
    Der Mond leuchtet wie eine Lampe ins Schlafzimmer, und das macht das Einschlafen schwer. Auf irgendeine Weise warte ich auch auf ihn, auf Stefan. Er soll kommen und mir in dem einsamen Bett Gesellschaft leisten – Markus hat sich dickköpfig auf dem Sofa im Wohnzimmer verschanzt.
    Aber in dieser Nacht kommt Stefan nicht. Vielleicht hat er etwas anderes vor, vielleicht hat er es auch satt, mir die ganze Zeit zu Diensten zu sein.

Busbahnhof Slussen 2010

Anna Kantsow konnte Ungewissheit nicht leiden. Sie hatte eigentlich nichts dagegen, sich den kleinen Wendungen und Widrigkeiten des Lebens zu stellen – und weiß Gott, daran hatte es ihr bisher nicht gemangelt –, aber mit Ungewissheit konnte sie nicht leben. Sie wollte Kontrolle über ihr Leben haben, vielleicht als Ausgleich für den Mangel an Kontrolle, den sie so viele Jahre lang erlebt hatte.
    Vage Erinnerungen daran, zugedröhnt in Wohnungen in allerlei Stockholmer Vororten zu liegen, huschten an ihr vorbei, als sie im Wartehäuschen an der Bushaltestelle stand. Ein Gefühl, dass ihr Körper ihr nicht gehörte. Nein, es war kein Gefühl, es war eine Tatsache. Die Drogen hatten sie besessen, und ihr Körper war nur eine Handelsware gewesen, der gegen Stoff und andere Dinge eingetauscht wurde. Sie nahm sich eine Zigarette und schaute hinaus in die Dunkelheit. Sah sich die fröstelnden Fahrgäste genau an.
    Kontrolle.
    Ein tiefer Zug und ein Blick hinter sich. Er war nicht da. Das war gut. Dann würde sie vielleicht mit Peter einen friedlichen Abend haben. Einen Film sehen, Popcorn essen, bei ihm übernachten, wie Teenies. Das wäre sehr gut.
    Als der blaue Bus in den Busbahnhof einfuhr, drückte sie die Zigarette aus und stellte sich hinten an der Schlange an. Sie wollte genau wissen, wer in den Bus einstieg, wollte keine Überraschung erleben müssen.
    Sie dachte, das sei irgendwie schon komisch. Einmal, vor langer Zeit, war sie durch und durch verantwortungslos gewesen, und wenn sie auch nicht unwissend gewesen war, was die Konsequenzen ihres Verhaltens anging, so waren die ihr doch egal gewesen. Aber jetzt – wo sie sich vorbildlich benahm – hatte sie das hier am Hals. Und daran war natürlich diese Siri schuld.
    Sie hatte ihr doch nur helfen wollen. Siris Geschichte hatte sie wirklich berührt, und bei ihrer Begegnung war Siri ihr sympathisch gewesen. Sie wirkte verletzlich und stark zugleich, und ihre Intuition hatte ihr gesagt, Siri sei absolut zuverlässig. Dann war das hier passiert. Inzwischen hätte sie das doch wissen müssen.
    Man konnte sich nur auf sich selbst verlassen.
    Der Bus war nicht ganz halbvoll. Die meisten hatten längst Feierabend und waren zu ihren Familien und Haustieren und Hobbys nach Hause gefahren. Die meisten hatten schon gegessen und saßen bequem in sich zusammengesunken vor miesen Fernsehsendungen oder surften auf Pornoseiten im Internet oder waren in ihrer Einsamkeit schon ziemlich angetrunken. Anna zog ihr Spanischbuch hervor und schaute hinaus in die kompakte Dunkelheit. Grauschwarze Schnee haufen rahmten die Autobahn nach Nacka ein. Eine Tankstelle beleuchtete den Schnee wie ein einsames Wichtellicht in der Nacht. Sie schaute sich rasch um – kein Auto folgte dem Bus.
    Vielleicht hatte Siri ja heute doch recht gehabt. Vielleicht war das alles ein Zufall. Der Mann, der sie verfolgte, hatte vielleicht nichts damit zu tun, was sie Siri erzählt hatte, aber das glaubte sie nicht. Sie lebte zurückgezogen. Sie hatte wenige Freunde. In der Schule wich sie aus, hatte keinen Kontakt zu den anderen. Hatte vielleicht

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