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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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wir nicht nur …«
    »Wayne’s in fünfzehn Minuten. Ich will mit dir reden.«
    »Okay«, antworte ich. »Bis gleich.«
    Aber sie hat schon aufgelegt.
    Ich erkenne sie direkt im Gewimmel durchgefrorener Stockholmer im Café. Der schmächtige Körper und die langen schwarzen Haare. Sie hebt die Hand, um zu zeigen, dass sie mich gesehen hat.
    In dem engen Lokal herrscht eine ausgelassene Stimmung. Ich vermute, vielleicht die Hälfte der nassen Gäste ist nur hier, um dem Schneesturm zu entkommen. Aber dem Personal scheint das egal zu sein, das hat zur Feier des Tages beschlossen, Kaffee zu spendieren. Sturmkaffee, erklärt die vollbusige Blondine lächelnd, als sie meine Tasse vollgießt.
    Ich wische mir Schnee vom Mantel, nehme die Tasse und gehe zu Anna.
    »Setz dich.«
    Ich lächele. Es ist schon irgendwie seltsam, dass diese Frau – fünfzehn Jahre jünger als ich und klein wie ein Kind – beschlossen hat, mich herumkommandieren zu können. Aber ich ahne schon, dass sie nicht wirklich befehlen will, sondern nur gestresst ist. Angst hat.
    »Was ist passiert?«
    Sie presst die Lippen zu einem dünnen Strich aufeinander, legt den Kopf schräg und zeigt dabei eine Tätowierung am Hals. Als habe sie meinen Blick gesehen, legt sie die Hand auf den Drachen, versteckt ihn vor mir.
    »Es hat einige Tage nach unserem Treffen angefangen. Er verfolgt mich überall. Sowie ich mich umdrehe, ist er da. In einiger Entfernung natürlich. Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Und das ist ihm auch klar. Abends, wenn ich schlafen gehe, steht er im Park unter meinem Fenster. Morgens ist er in der U-Bahn. Wenn ich einkaufen gehe, steht er vor dem Laden und schaut durch das Fenster.«
    Sie seufzt und schlägt die Hände vors Gesicht, murmelt leise, wie an sich selbst gerichtet: »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    »Moment mal. Was ist das für ein Typ? Hast du ihn auch richtig gesehen?«
    Sie schüttelt langsam den Kopf. Hebt die Kaffeetasse zum Mund. Ihre Hände zittern so sehr, dass das braune Getränk auf den Tisch schwappt.
    »Verdammt. Nein, ich habe ihn nicht richtig gesehen.«
    »Woher weißt du denn überhaupt, dass es immer derselbe ist?«
    Sie stellt die Tasse mit einem Knall auf den Tisch, und ich ahne Wut in ihrer Stimme.
    »Ich weiß ja wohl, was ich gesehen habe. Mittleres Alter, normal groß, Stoffjacke, Jeans. Mehr weiß ich nicht. Er sieht aus der Entfernung aus wie die meisten Leute. Ein ganz normaler Typ eben.«
    »Und warum glaubst du, das könnte etwas mit unserem Gespräch zu tun haben?«
    Sie fährt sich mit den Händen durch die Haare, massiert die Schläfen. Ich nippe an meinem Kaffee und warte auf ihre Antwort.
    »Weißt du, ich hatte Ordnung in mein Leben gebracht. Ich habe versucht zu vergessen. Seit fünf Jahren ist mir nichts Dramatischeres mehr passiert, als dass ich den Bus verpasst habe und für Falschparken blechen musste. Dann meldest du dich … und dann kommt das hier.«
    »Aber ich verstehe es trotzdem nicht. Es ist doch mehrere Jahre her, dass Anders ermordet worden ist. Und du hast so oft mit der Polizei gesprochen. Warum taucht das gerade jetzt auf?«
    »Ich dachte, das könntest du mir erklären«, sagt sie leise und sieht mich müde an. »Das ist deine Schuld, Siri. Begreifst du das nicht?«

Caroline Helsén verspätet sich. Es gab keine Busse, und sie konnte kein Taxi finden. Sie bittet immer wieder um Entschuldigung. Ich hebe die Hand zu einer abwehrenden Geste.
    »Ist schon gut. Fast alle meine Klienten haben abgesagt.«
    Sie lächelt müde und streift die riesige, vor Nässe triefende Daunenjacke ab. Ihre blonden Haare hängen in Strähnen um ihr Gesicht, und die Jeans ist bis zu den Oberschenkeln aufgeweicht.
    »Ich möchte um Entschuldigung bitten«, ist das Erste, was sie sagt, als sie sich in den Lammfellsessel sinken lässt. »Ich war bei unserer letzten Begegnung so wütend, es tut mir leid. Es war so dumm. Sie haben doch recht.«
    »Bitte, Caroline, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich habe mich sehr unsensibel ausgedrückt.«
    »Aber es stimmt doch. Sie hatten recht. Und ich bin ja auch nicht verrückt geworden, oder was? Ich sitze doch hier.« Sie nickt, die grauen Augen sehen mich an und weichen nicht aus. »Ich war natürlich unendlich traurig. Und ich habe geweint und geweint. Aber dann … ich weiß nicht. Ich hatte irgendwie keine Tränen mehr.«
    »Was ist das jetzt für ein Gefühl?«
    »Stellen Sie sich eine sehr tiefe Wunde vor. Sie ist da, Sie wissen, wo. Es tut

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