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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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Körper ist viel stärker und ausdauernder, als man auf den ersten Blick glaubt. Ihre knochigen Arme können schwere Eichenmöbel heben und Decken anstreichen, stundenlang, ohne Kraft zu verlieren. Ihre Beine können mehrere Dutzend Kilometer hintereinander laufen, und irdische Probleme wie Hunger und Kälte scheinen sie nicht sonderlich zu betreffen. Und andere Probleme auch nicht.
    Bis jetzt jedenfalls. Mein Zwerchfell zieht sich zusammen. Ich will diesen Gedanken nicht verfolgen, ich will jetzt loslassen, will bei ihrer Stärke verharren, dieses Gefühl lange festhalten. Ich kann nicht glauben, dass ihr starker Körper wirklich krank sein könnte.
    Aina wird nicht krank. Aina kann sieben Klienten an einem Tag haben. Aina kommt zurecht, braucht keinen Mann, um stark oder heil zu sein. Aina landet immer auf den Füßen.
    Oder?
    Wieder klingelt der Wecker. Markus murmelt etwas und tastet nach dem Schlummerknopf. Erik wimmert. Ich strecke die Hand aus, merke, wie kalt sein Rücken ist, decke ihn zu und setze mich auf.
    »Kaffee?«, frage ich.
    »Mm«, mehr sagt Markus nicht.
    Ich stapfe mit einer Wolldecke über den Schultern in die Küche, merke, wie die Kälte an meinen Beinen hoch- und unter mein Nachthemd kriecht. Das Thermometer zeigt 16 Grad. Meine Hand zittert so sehr, dass ich im Kamin kaum Feuer machen kann. Nach kurzer Zeit gesellt sich Markus zu mir.
    »Verdammt, was für ein Wind.«
    Ich nicke.
    »Wie viel?«, fragt er und zeigt auf das Thermometer.
    »Sechzehn«, antworte ich.
    »Wir müssten isolieren.«
    »Wir müssten dafür sparen, meinst du?«
    Er beißt die Zähne zusammen und schaut auf das Schnittbrettchen, während er sich ein Butterbrot schmiert.
    »Und du hast gut geschlafen, höre ich?«
    »Ich bin um vier von einer SMS geweckt worden.«
    Sofort bereue ich meine Worte, aber es ist zu spät.
    »Wer schickt dir denn mitten in der Nacht eine SMS ?«
    Ich seufze und nippe an dem heißen Kaffee, schaue hinaus in den Schneesturm. Es wird noch nicht hell.
    »Dieses Mädchen aus dem Park. Die Mordzeugin. Anna heißt sie.«
    »Und was wollte sie?«
    »Sie behauptet, dass sie verfolgt wird. Und sie scheint zu glauben, das könnte auf irgendeine Weise mit mir zu tun haben.«
    »Mit dir zu tun haben?«
    Sein Tonfall ist zurückhaltend, und er spricht die Wörter langsam aus, betont jede Silbe, aber ich kann sehen, dass er außer sich ist. Ahne, wie sein bleicher Hals immer weiter nach oben hin rot wird, sehe seinen verzogenen Mund.
    »Markus, sei jetzt nicht sauer.«
    »Ich bin nicht sauer«, faucht er. »Aber du hast doch erst gestern versprochen, mit diesem Dreck aufzuhören. Oder hast du das vergessen?«
    »Bitte. Das hab ich doch. Ich kann nichts dafür, dass sie mir mitten in der Nacht SMS schickt. Soll ich dich denn lieber anlügen?«
    Markus schüttelt die Breiflasche und stellt sie in die Mikrowelle, beißt die Zähne noch fester aufeinander.
    »Soll ich lieber lügen? Denn wenn du das willst, dann kannst du deinen Willen haben …«
    Die Mikrowelle piept. Markus dreht sich langsam zu mir um.
    »Ich weiß nicht, Siri. Ich weiß nicht mehr, wann du lügst und wann du die Wahrheit sagst. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich dich noch kenne. Ich weiß nur, dass du einen Haufen Geheimnisse vor mir hast.«
    Er verlässt das Zimmer, offenbar zufrieden, weil er das letzte Wort hatte.
    Draußen ahne ich das erste bleiche Morgenlicht wie einen hellblauen Farbton in der Mauer aus Schnee.

Ich rufe Anna Kantsow an, sowie ich in der Praxis bin. Der Sturm scheint nicht abnehmen zu wollen, und meine erste Klientin hat angerufen und erzählt, dass sie in einer Schneewehe feststeckt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ob ich bereit wäre, den Termin zu verlegen, ohne das zu berechnen? Das sei doch sicher eine Art höhere Gewalt? Ich kann da kaum widersprechen. Gemeinsam machen wir einen neuen Zeitpunkt ab, und nach dem Gespräch bleibe ich mit dem Telefon in der Hand vor dem Fenster zum Medborgarplatz stehen. Aber heute kann ich draußen nur ein wirbelndes Meer aus Schnee sehen. Nicht einmal die Konturen des Platzes unten lassen sich erahnen.
    Dreimal klingelt es, dann meldet sie sich. Ihre Stimme ist leise, und sie spricht schnell, mit kurzen Sätzen, als habe sie es eilig und will sichergehen, dass ich jede Silbe begreife.
    »Siri. Gut. Wir müssen uns treffen. Kaffee in der Götgata in fünfzehn Minuten?«
    Ihre abgehackten Anweisungen machen mich eine Sekunde lang sprachlos. »Wir müssen uns treffen? Aber können

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