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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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lange her zu sein, und doch rückte es näher, als ich durch diese Landschaft fuhr, in der sich alles abgespielt hatte.
    Als ich am Haus in Sløgedal vorbeifuhr, tat ich etwas Unerwartetes: Ich bremste plötzlich und bog auf den Platz vor der Feuerwache. Dort stellte ich den Motor ab und stieg aus. Es war kalt, und ich war viel zu dünn angezogen. Ich blieb eine Weile stehen und betrachtete das dunkle Gebäude. Vor dem Garagentor wuchs ein bisschen Gras aus dem Kies, es musste lange her sein, dass das Feuerwehrauto zum Einsatz gekommen war. Es brannte ja so gut wie nie. Ich versuchte, durch das geriffelte Glas des Tors zu schauen, aber es war unmöglich; außerdem war es in der Garage, in der das Feuerwehrauto stand, vollkommen dunkel. Doch statt mich ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren, ging ich hinüber zum Haus. Ich war dieses Stück noch nie zu Fuß gegangen, und es stellte sich heraus, dass es länger war, als ich gedacht hatte. Ich ging durch die Dunkelheit. Es war kalt. Ich hörte nur das Geräusch meiner eigenen Schritte. Dann begann ich zu summen. Es war eine Melodie ohne Anfang und Ende, sie entstand einfach so, und nach einer Weile verschwand sie auch wieder. Dann konnte ich das Haus als etwas Großes und Graues vor mir in der Dunkelheit erkennen. Kurz darauf sah ich, dass die Fensterbretter weiß lackiert waren, und undeutlich ahnte ich die Umrisse der Scheune, die auf den Ruinen der alten erbaut worden war. Ich beschloss, nah heranzugehen, und kaum hatte ich diesen Entschluss gefasst, sah ich die Scheinwerfer eines Autos, das sich von Norden näherte. Ich weiß nicht, warum, aber ich wurde von einer Art Panik gepackt. Wie gesagt, es war zu spät umzudrehen, und es war noch relativ weit bis zum Haus. Das Auto würde um die Kurve biegen, bevor ich das Haus erreicht hätte und hinter einer Ecke in Sicherheit war. Es endete damit, dass ich anfing zu rennen. Ich lief so schnell ich konnte zum Haus in Sløgedal, während die Lichter des Autos größer wurden und sich über den Himmel ausbreiteten. Ich musste an das Flammenmeer im Sommer vor dreißig Jahren denken, das so viele gesehen und von dem so viele erzählt hatten. Und genau in dem Moment, in dem ich die Straße verlassen wollte, tauchten die Scheinwerfer vor mir auf. Plötzlich war ich gefangen. Ich blieb ein Stück vom Haus entfernt stehen, während der Wagen näher kam. Das Licht traf mich mitten ins Gesicht, ich starrte hilflos hinein, mehrere Sekunden konnte ich nichts sehen, das Auto wurde langsamer, näherte sich, und einen Augenblick dachte ich, es würde anhalten; ich versuchte mir zu überlegen, was ich sagen sollte. Aber es hielt nicht, es fuhr langsam an mir vorbei, und ich stand wieder im Dunkeln, während das Auto auf die Feuerwache zuhielt und verschwand.

XII
    Die Uhr zeigte kurz nach sieben, als er nach Kilen fuhr, an der Shell-Station tankte, Zigaretten, ein paar Süßigkeiten und das neueste Micky Maus -Heft kaufte und dann am Gemeindehaus vorbei die Straße nach Øvland nahm. Es war ein warmer Abend, zudem ein Freitagabend, er hatte frei, keine Pläne und musste erst am Montagabend um sechs Uhr in Kjevik wieder seiner Arbeit nachgehen.
    Er beschleunigte, überholte ein paar kleine Mädchen auf Fahrrädern, winkte ihnen zu und bemerkte, dass sie kicherten. Das war alles. Als er den Kamm des Hügels erreicht hatte, drehte er das Radio auf. Auch an diesem Abend gab es eine Übertragung aus Argentinien. Daher war es so leer und so ruhig, alle saßen vor dem Fernseher. Das Spiel hatte um sieben begonnen, Italien gegen Frankreich in Mar del Plata. Das Stadion hatte sich in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt. Er bog in eine Haltebucht und hörte zu, während er von den Süßigkeiten naschte und ein bisschen in der Micky Maus blätterte. Nach etwa zehn Minuten begann ihn das Spiel zu langweilen, keine Tore, keine Chancen, nichts. Nur dieses ewige Rauschen des Stadions. Ihm wurde davon ganz wirr im Kopf. Schließlich stieg er aus dem Auto, zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich an die Kühlerhaube, während er in den Wald starrte, auf die hoch aufgerichteten Holzstämme, die in der Sonne zu glühen schienen, die reglosen Zweige.
    Als er weiterfuhr, war es kurz nach acht, in der Halbzeitpause stand es in Argentinien 0:0. Er fuhr über Hønemyr, kam an die Kreuzung, an der sich die Straße dreiteilte, bog nach Brandsvoll ab, kam ins Schleudern und sah im Seitenspiegel, wie der Schotter aufspritzte. Er drehte das Radio

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