Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Lippen, machten es sich bequem und begrüßten sich richtig.
»Kommst du in deiner Mordsache voran?«
Thor schüttelte den Kopf und fragte nicht, woher der Freund wusste, welchen Fall er gerade auf dem Schreibtisch hatte. Sie hatten sich schon seit mindestens einem Monat nicht mehr richtig unterhalten, und eigentlich gab es ohnehin nichts zu berichten. Seine sogenannte breitgefächerte Ermittlung hatte bisher zu keinerlei Anhaltspunkten geführt. Das Einzige, was er nach einer knappen Woche vorweisen konnte, war ein Typ aus der Griffenfeldsgade, der behauptete, Anisa in einem Nachtclub auf Vesterbro gesehen zu haben. Vogler sah ihn nur an und grinste breit.
»Dann warte mal ab, was ich dir zu erzählen habe.«
Asbjørn Vogler war Militärstaatsanwalt am Kastellet, und Thor machte sich gern darüber lustig, dass sein Freund sich von der allgemeinen Paranoia des Abschirmdienstes anstecken ließ, der im selben Gebäude untergebracht war. Er war derjenige, der darauf bestanden hatte, dass sie sich außerhalb der Arbeitszeit trafen und möglichst weit von ihren jeweiligen Arbeitsplätzen entfernt.
»Das Containerschiff Persephone«, sagte Asbjørn dann. »Klingelt da was bei dir?«
»War das nicht vor ein paar Monaten mal in den Nachrichten?«
Asbjørn nickte und trank von seinem Bier.
»Im September letzten Jahres wurde dieses dänische Schiff am Horn von Afrika von Piraten überfallen. Inzwischen ist das ja fast alltäglich, und die Piraten haben ihre Jagdgründe beträchtlich erweitert. Eine internationale Flotte unter Leitung der dänischen Marine patrouilliert in den Gewässern bis zum Indischen Ozean, zum Schutz vor somalischen Piraten, die Containerschiffe überfallen und Lösegeld für Fracht und Besatzung verlangen. Die Persephone wurde am 1 9 . September angegriffen, und der bulgarische Kapitän konnte einen Hilferuf absetzen, der direkt beim Operativen Marinekommando und beim Hauptsitz der Reederei A. C. Lauritzen ankam. Während das Schiff anschließend die somalische Küste ansteuerte, beauftragte die Reederei einen englischen Entführungsexperten. Ein ehemaliger SAS -Elitesoldat, ziemlich zweifelhafter Typ, wenn du mich fragst. Daraufhin kam eine telefonische Verbindung zu einem gewissen Omar zustande, dem Kontaktmann der Piraten. Die Piraten forderten ein Lösegeld von sieben Millionen Dollar, woraufhin die Reederei auf Anraten des Engländers vierhunderttausend bot. Diese Empfehlung erwies sich als ziemlich idiotisch, weil sie vermutlich höchstens ein Zehntel davon hätten bieten dürfen. Jetzt bekamen die Piraten nämlich eine Ahnung davon, dass die Reederei Geld hatte und auch zahlungswillig war. Ihre nächste Forderung belief sich daher auf fünf Millionen Dollar, woraufhin die Verhandlungen im Großen und Ganzen auf Eis gelegt wurden. Fast zwei Monate lang fuhr die Persephone mit einer zunehmend panischeren Besatzung an der Küste auf und ab, und der Treibstoff wurde knapp. Der Kapitän und der Steuermann durften regelmäßig bei der Reederei anrufen und um eine Lösung betteln und flehen, aber der Reeder blieb beinhart und weigerte sich, dem ›psychologischen Druck‹ der Piraten nachzugeben. Auf keinen Fall wollte er eine Lösegeldsumme zahlen, die höher war als der ›Marktwert‹, der offenbar bei ungefähr einer Million Dollar lag.«
»Diese Geschäftsleute sind ja knallhart.«
Vogler lächelte.
»Ja, nicht nur die Piraten sind unbarmherzig. Mitte November ist die Situation dann eskaliert, als die Esbern Snare zum Angriff überging und das Schiff befreite. Bei dieser Aktion starben neun Piraten, anscheinend ertranken sie bei dem Versuch, in einem defekten Gummiboot zu flüchten.«
»Und was hast du mit dieser Sache zu tun?«
»Weil es zivile Verletzte und Todesopfer gab, hat die Militärpolizei die Besatzungsmitglieder der Esbern Snare verhört. Ich muss beurteilen, ob es sich um eine gerechtfertigte Machtausübung handelte. Reine Routine.«
Thor lächelte seinen Freund wissend an.
»Aber?«
»Aber heute stürzte sich auf einmal der Abschirmdienst auf den Fall. Dessen Mitarbeiter übernehmen alle weiteren Ermittlungen, und wir wurden angewiesen, alle relevanten Unterlagen an sie auszuhändigen.«
*
Der Schneeregen war so stark, dass man kaum bis zum Blegdamsvej sehen konnte, und Linnea gab es auf, zwischen den Fensterläden hindurchzublicken. Sie stand auf dem kleinen Austritt am Ende des großen Obduktionssaals, wo man frische Luft schnappen oder eine Zigarette rauchen
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