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Bewahre meinen Traum

Bewahre meinen Traum

Titel: Bewahre meinen Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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schloss die Tür auf und öffnete sie. Die Angeln gaben ein rostiges Quietschen von sich. Nina hielt inne, sie stand wieder einmal viel zu nah bei ihm. Er roch nach Gips und Schweiß, und aus irgendeinem Grund fand sie das unheimlich anziehend. Das war auf so vielen Ebenen problematisch, dass sie beinahe auf dem Absatz kehrtgemacht hätte und geflohen wäre. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie gerade einen wichtigen Schritt auf ihren Traum zu machte. Greg war dabei nur eine kleine Hürde. Und wie Jenny schon gesagt hatte, übernahm er alle finanziellen Risiken.
    Sie trat über die Schwelle in ihr neues Zuhause. Der muffige Geruch jahrelanger Vernachlässigung hing in der Luft. Nina öffnete ein paar Fenster und entlockte damit den spröden Spitzenvorhängen ein leises Seufzen. Die Bodendielen knarrten, und als sie einen Wasserhahn aufdrehte, stöhnten die Rohre und spieen eine rostige Flüssigkeit aus. Spinnweben hingen in den Dachsparren und überall standen Kartons unbekannten Inhalts herum.
    Das Haus war ein Albtraum. Aber als sie die Fensterläden aufstieß und aus dem Fenster schaute, waren alle Fehler vergessen. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich hier wohnen; so nah am See, dass sie die Wellen ans Ufer schlagen hören konnte.
    „Das war immer mein Lieblingsplatz hier“, sagte sie. „Als ich als Teenager hier gearbeitet habe, habe ich es mir immer für den Schluss aufbewahrt, damit ich meinen Tag hier beschließen konnte, mit Blick auf den See. Es war … eine Möglichkeit, ein paar Minuten Frieden und Stille zu erleben, bevor ich wieder nach Hause fuhr.“
    Er lächelte. „Ich wusste gar nicht, dass es möglich ist, auf der Arbeit Frieden und Stille zu finden.“
    „Manchmal ist es auf der Arbeit weniger chaotisch als zu Hause. Sonnet und ich haben damals bei meiner Familie gewohnt, weil ich noch zur Schule ging und nebenbei gearbeitet habe. Versteh mich nicht falsch – ich war unglaublich dankbar für die Unterstützung, aber mein Leben war auch ziemlich … chaotisch.“ Sie konnte sich noch gut an den konstanten Lärm und die Unruhe zu Hause erinnern, zu dem sich die unaufhörlichen Ansprüche eines Kleinkinds gesellt hatten. Das Bootshaus war ihre Oase gewesen, ihr Ort, an dem sie denken und träumen konnte, und sei es auch nur für kurze Zeit.
    Sie stand auf und schaute über das Anwesen. Den malerischen See, den Steg und die Bilderbucharchitektur. Sie atmete die Luft ein, in der süß die Versprechen eines Sommers hingen. Ich bin zurück, dachte sie. Endlich zurück.

10. KAPITEL
    D  aisy fühlte sich beschissen. Sie war es leid, sich so zu fühlen, leid, sich von Leuten anhören zu müssen, das sei im letzten Drittel der Schwangerschaft ganz normal. Unruhig rutschte sie auf dem Sofa in dem altmodischen Wohnzimmer des Hauses hin und her, in dem sie jetzt mit ihrem Vater und ihrem Bruder wohnte, und betrachtete ihre Knöchel. Oder das, was mal Knöchel waren. Im Moment waren sie so geschwollen und unattraktiv wie der ganze Rest von ihr.
    Okay, dachte sie und blätterte durch eines ihrer vielen Schwangerschaftsbücher, niemand hat gesagt, dass das ein Spaß würde. Was sollte auch Spaß daran machen, vierzig Pfund zuzunehmen, alle fünf Minuten pinkeln zu müssen, mitten in der Nacht aufzuwachen, weil der eigene Bauch plötzlich mit einem sich windenden, tretenden, Schluckauf habenden Baby lebendig wird?
    Alle naslang ermahnten die Leute Daisy, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Ha, als wenn sie das verhindern könnte. Jeder, den sie kannte, hatte nach der Highschool ein neues Leben angefangen oder hatte es zumindest vor. Einige ihrer Freunde wie Sonnet Romano reisten. Andere hatten einen Job und eine Wohnung gefunden.
    Daisy war sehr dankbar für die Unterstützung ihrer Familie. Wie könnte sie es auch nicht sein? Sie war froh, dass ihr Vater etwas gefunden hatte, das ihn begeisterte – das Inn. Es machte ihr auch nichts aus, ihm zu helfen. Fotografieren war ihre große Leidenschaft, und es war toll, dass sie damit etwas Nützliches anstellen konnte.
    Das Problem war, dass sie sich in einer Phase ihres Lebens befand, in der sie nichts Nützliches tun wollte. Sie wollte Neues entdecken und träumen und verantwortungslos sein. Was inzwischen aber leider keine Option mehr war.
    Sie fragte sich, ob ihr Zustand irgendwie genetisch bedingt war. Sie hielt eine Familientradition aufrecht. Auch sie war unehelich gezeugt worden. Ihre Eltern hatten dann zwar geheiratet, aber man sah ja, wie das

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