Bewahre meinen Traum
in ihrem Kopf. „Weißt du, wenn mir jemand letzten Sommer gesagt hätte, dass meine Cousine und dein Bruder heiraten würden, hätte ich ihn für verrückt erklärt.“
Er nickte. „Ich auch.“
Olivia war durch und durch New Yorkerin und Connor der Arbeiter aus der Kleinstadt. Aber seltsamerweise waren sie ein perfektes Paar.
„Ich schätzte, man könnte sagen, dass seltsamere Dinge passiert sind“, sagte sie.
„Willst du darüber reden?“
Es musste nicht erklärt werden, was „darüber“ war – nicht nur ihre offensichtliche Schwangerschaft, sondern etwas noch Größeres. Sie ließ sich auf das Sofa sinken und zog ihr formloses Shirt über ihren Bauch. Seit sie ihrem Vater letzten Winter unter Tränen ihren Zustand gebeichtet hatte, hatte sie viel geredet – mit ihrer Familie, den Kollegen in der Sky River Bakery, wo sie nach der Schule gearbeitet hatte, mit Lehrern, Beratern und Ärzten. Sie hatte bis zur Erschöpfung geredet, doch einige Dinge änderten sich nicht. Sie war immer noch schwanger, immer noch verwirrt, immer noch unentschieden.
„Es ist ziemlich genau so, wie es aussieht“, sagte sie. „Ich hab’s vermasselt. Ich kann noch nicht mal sagen, dass es ein Unfall war.“
Etwas verlegen griff sie nach einem Hemd, das sie für Max instand setzte. Irgendwie hatte ihr Bruder es geschafft, drei Knöpfe zu verlieren, sodass sie jetzt alle Knöpfe ersetzen musste. Ihre Hände beschäftigt zu halten half ihr dabei, ihre Gedanken zu sortieren. Nähen lag ihr gar nicht, und der Faden verknotete sich immer wieder, aber sie machte unverzagt weiter.
„Es wird übrigens ein Junge“, sagte sie. „Stichtag ist um die Hochzeit herum. Ich bin zwar Brautjungfer, aber Olivia ist darauf vorbereitet, dass ich diese Rolle an dem Tag eventuell nicht spielen kann. Nur für den Fall, dass er sich entscheidet, etwas zu früh zu kommen.“
Julian nickte und legte die Fingerspitzen aneinander. „Das ist ziemlich unfassbar.“
„Du hast ja keine Ahnung.“
„Ich glaube schon. Das ist einigen Mädchen an meiner Schule passiert. Wir hatten auf dem Campus sogar einen Kindergarten.“ Julian räusperte sich. „Und, du bist, also … mit dem Vater zusammen?“
Sie lachte. „Du weißt ja gar nicht, wie absurd das wäre. Er ist ein Junge aus meiner alten Schule in der Stadt. Logan O’Donnell. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, hat er auf dem Tisch getanzt, nachdem er sich gerade Kokain im Wert von circa tausend Dollar durch die Nase gezogen hatte.“
„Und was sagte er zu alldem?“ Julian deutete auf ihren Bauch.
„Ich habe es ihm noch nicht erzählt. Aber das werd ich“, versicherte Daisy ihm. Was sie ihm jedoch nicht sagte, war, dass Logan nach dem Wochenende so was wie ausgeflippt war. Jedes Mal, wenn er sie sah, war er ganz „Ich liebe dich wirklich, lass uns zusammenbleiben“, aber sie nahm an, das sagten alle Jungs, wenn sie mal wieder flachgelegt werden wollten. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ihn nie wiedersehen wolle, und hatte ihn aus all ihren Social-Networks und ihrem Handy gelöscht.
Wenn sie dem glauben durfte, was ihre Freunde aus der Stadt so erzählten, hatten Logans Eltern ihn für den Rest seines Highschooljahres in ein sehr privates, sehr teures therapeutisches Internat gesteckt, damit er sein Drogenproblem in den Griff bekam.
Daisy hatte den letzten Knopf angenäht. Sie waren krumm und schief, aber wenigstens hielten sie. „Es ist nur, bevor ich Logan davon erzähle, muss ich das alles selber erst mal für mich auf die Reihe kriegen.“ Und alles unter Kontrolle bekommen, fügte sie in Gedanken hinzu. Immerhin war sie die Tochter ihrer Mutter. „Weißt du, ich will wirklich nichts von ihm, aber eines Tages wird das Baby es wissen wollen. Ich habe beschlossen, ihm einen Brief zu schreiben. Meine Mom sagt, ich sollte ihn von einem Notar beglaubigen lassen und als Einschreiben schicken, damit er weiß, dass er wirklich von mir ist, und ich weiß, dass er den Brief erhalten hat. Ich habe ihn aber noch nicht geschrieben. Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll.“
„Du musst nichts überstürzen“, sagte Julian. „Das kommt schon von ganz alleine.“
Seine entspannte Art ließ sie lächeln. Gott sei Dank war er nicht wie einige der Mädchen, mit denen Daisy sich ab und zu traf und die sie für verrückt hielten, weil sie nicht versuchte, aus Logan ein Vermögen an Kindesunterhalt herausholen. Doch das war das Letzte, wonach ihr der Sinn stand. Daisy nahm an, dass
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