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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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vor Muskelkater nicht aufstehen wollen
    • Zeitungsartikel über gesundes Leben überblättern
    • duschen
    • San Francisco morgens um fünf durchlaufen
    • dem Wachsen von Freundschaften zusehen
    • Zieleinlauf beim Berliner Volkstriathlon
    • philosophische Gespräche beim Laufen mit Thorsten
    • ohne Uhr laufen und richtig schnell fühlen
    • ewig parallel zum Strand schwimmen

Das Glück der Selbstüberwindung

    Bei frühlingshaften Bedingungen habe ich gemeinsam mit bezaubernden Mitstreitern ein langgehegtes Vorhaben verwirklicht und 24 Stunden dem Skilanglauf gefrönt. … 217,8 km – eine Zahl, mit der ich noch im Altersheim für Anerkennung bzw. Schulterzucken sorgen werde.
    Wigald Boning
    »Zumuten« ist eins dieser großartigen deutschen Wörter, elegant in seiner fragilen Mehrschichtigkeit. Eine Zumutung ist zunächst negativ besetzt. Aber: Mir selbst oder anderen etwas zuzumuten, das muss nicht nur schlecht sein. Wie viel Tempo, wie viel Strecke kann ich Körper und Geist zumuten, so lautet eine berechtigte Frage nach der eigenen Belastbarkeit. Die Übersetzung: Wie viel kann ich wagen? Wo ist die Grenze von Mut und Übermut? Bewegen, gerade auf unbekanntem Terrain, wirft immer die Frage nach der Zumutbarkeit auf. Schon ringe ich mit inneren Widerständen. Schaffe ich, was ich wollte? Oder lass ich’s lieber sein? Nein.
    Das Glück der Selbstüberwindung wirkt stimmungsaufhellend, weil es Hand in Hand mit dem Stolz daherkommt. Willi Lemke, der ehemalige Manager von Werder Bremen, erzählt, wie er bei Kilometer 41 eines Marathons erledigt in einem Eisenbahntunnel auf dem Bordstein hockte und am liebsten geheult hätte. Da sah er seine Tochter kommen, mit einer Werder-Fahne in der Hand. Lemke raffte sich auf und stolperte ins Ziel. Kein großes Ding. Aber eine jener kleinen, großen Geschichten, über die sich Menschen ihr Leben lang definieren.
    Kotzgrenze
    Ich bin nicht schnell. Mein Körper setzt mir klare Grenzen. 1 000 Meter schaffe ich bestenfalls in vier Minuten, 10 000 einmal im Leben in 45 Minuten, den Halbmarathon in 105 Minuten – seit Jahren konstant und auch mit Training nicht groß zu verschieben. Diesel halt.
    Und dann gibt es diese ganz besonderen Tage, an denen ich mich anders fühle, besser, mutiger. Liegt es am Essen, am Schlaf, an der Psyche? Oder handelt es sich um Zufall? Ich weiß es nicht.
    Ich hatte mir ein paar schnelle Runden auf dem Sportplatz vorgenommen, während mein kleiner Sohn beim Schwimmtraining war. Eine unbekannte Leichtigkeit hatte sich in meinen Körper geschlichen. Ich war skeptisch. Meine Beine sind Dauerwohnsitz eines kräftigen Muskelkaters. Ohne Ziehen fehlt mir was. Zum Test rannte ich 500 Meter gegen die Uhr, eine Runde plus 100 Meter. Es lief. Auf dem Rasen kickten Kinder, auf der Bahn marschierten Damen, ambitionierte Mittfünfziger zockelten, und zwei Jugendliche sprinteten.
    Niemand würde Notiz nehmen, wenn ich auf den letzten 300 Metern Schnaub-, Prust- und Pfeiftöne von mir gäbe. Furchtsame Zeitgenossen wollen den Notarzt alarmieren, wenn sie mich im Finish hören. Zwischen Krach und Tempo gibt es bei mir allerdings keinen Zusammenhang. Ich bin halt ein Schnaufer.
    Also gut: Ich werde mal wieder 1 000 Meter auf Zeit testen, zweieinhalb Runden Quälerei auf rotem Gummibelag. Einmal im Leben war ich unter vier Minuten geblieben, wenige Hundertstel, aber das war sicher ein Messfehler gewesen.
    Startlinie. Ich fummele an meiner Uhr. Uhrfummeln ist wie Schnürsenkelnesteln eine Technik zum Zeitgewinnen. Galgenfrist, wie für den Delinquenten die letzte Zigarette. Ein klassischer Achim-Dialog. Es muss sein. Aber bitte nicht sofort. Doch. Na gut, jetzt sofort? Mach endlich!
    Ich rannte los und drückte fast gleichzeitig auf »Start«. Bei einem internationalen Leichtathletik-Sportfest hätte man mir wahrscheinlich einen Fehlstart angekreidet, weil ich mir durch nicht ganz sauberes Drücken zwei Zehntel erschummelt habe. Ein Grund mehr, nie bei großen Wettbewerben zu starten.
    Wer bisweilen auf der Bahn läuft, entwickelt ein präzises Tempogefühl und zugleich Geschick im Kopfrechnen. Vier Minuten sind 240 Sekunden macht 24 Sekunden pro 100 Meter. Die Markierungen an der Bahn sind unbestechlich. Wenn ich mit 21 Sekunden auf den ersten 100 Metern starte, aber über den Kilometer nur vier Minuten schaffe, dann lautet die Botschaft: Du wirst eingehen, jämmerlich. Ich lag bei 22 Sekunden. Angst vor den zweiten 500 Metern stieg um die Wette mit dem

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