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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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nur in Herz, Lunge, Muskeln, sondern tatsächlich im Innersten jeder Zelle. »Unser Erbgut ist viel dynamischer, als man angenommen hat«, folgert Juleen Zierath. Menschen sind also nicht nur Opfer, sondern auch Gestalter ihrer Gene. Schade eigentlich: Denn damit fällt mal wieder eine gute Ausrede einfach weg.

Guck mal, wer da spricht

    Abb. j
    Die meisten Gedanken sind verworren. Erst Aussprechen bringt Klarheit.
    Weisheit von Großmüttern mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung
    Würde ich mich auf einem Ausflug ins Grüne selbst filmen, kämen hoch peinliche Situationen ans Licht. Ja, ich führe Selbstgespräche und zwar durchaus engagiert: Ich verfluche mich und andere, manchmal lobe ich, sogar mich. Am häufigsten formuliere ich Texte: einen Kommentar über die Kanzlerin, eine Abrechnung mit der bösen Welt oder die nächste Achilles-Kolumne. Das Sprechen dessen, was noch zu schreiben wäre, gehört zu meinen liebsten Memo-Techniken, die Beobachter allerdings für einen kapitalen Hau halten können.
    Erleichtert las ich, dass Selbstgespräche ein wichtiges Werkzeug der Verhaltenssteuerung seien. Der griechische Sportpsychologe Antonis Hatzigeorgiadis ermittelte, dass Selbstgespräche die Leistung sogar verbessern können. Wirkungsvoll sind konkrete Anweisungen wie »Hufe hoch«, weniger effektiv dagegen platte Anfeuerungen wie: »Du schaffst das«. Bei feinmotorischen Disziplinen ist der Erfolg offenbar größer als beim Ausdauersport. Stimmt. Von Leistungssteigerung habe ich bislang wenig verspürt.
    Die wichtigste Funktion, die ich feststelle, ist eher eine ordnende. Ich bekomme lose Gedankenenden verknüpft, nicht selten durch stumpfes Wiederholen. Im Ziel ist oft ein Gefühl von Struktur entstanden. Und mit etwas Abstand, im Auto etwa oder unter der Dusche, tauchen schlagartig neue Ideen auf, die auf einer assoziativen Ebene mit dem Thema des Selbstgesprächs zu tun haben. Beim nächsten Treffen im Wald bitte ich also um Nachsicht. Ich bin nicht bescheuerter als die anderen auch.

Komfort wird überbewertet

    Hier werden Sie geholfen.
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    Luxus ist anstrengend. Die neue Pulsuhr etwa, die alle Bewegungsdaten direkt online stellt, braucht erst mal einige Stunden Herumgedrücke, bis sie vielleicht läuft. Vati flanscht seit drei Stunden das total aufbaufreundliche Faltboot zusammen, um in die zwölf Minuten entfernte Gartenwirtschaft zu paddeln. Und der Radcomputer muss rasch noch auf den Umfang des Vorderrades eingestellt werden. Leider wurde die Anleitung nur auf Kroatisch mitgeliefert.
    Häufig führen vermeintliche Komfortgerätschaften zum exakten Gegenteil von Bewegung: Stillstand. Ich werde es mathematisch nicht beweisen können, aber: Das Leben jenseits der Komfortzone ist das bequemere. Hätte ich die Zeit, die ich je mit dem Studieren von Bedienungsanleitungen, dem Umtausch von Geräten, der Suche nach Schrauben vertrödelte, in Bildung und Training investiert, wäre ich der erste Olympiasieger mit Nobelpreis geworden.
    Das wahre Leben kommt ganz gut auch mal ohne Schnick schnack zurecht. Schneeregen, Durst und vorübergehenden Flüssigkeitsmangel kann man überleben. Komfort ist mentaler Alkohol. Zu viel davon, und der Mensch ist druff.
    Ich bin immer wieder verwundert, was die Religion der Lebenserleichterung aus Menschen, insbesondere aus Eltern, gemacht hat. Staunend stehen Vati, Mutti und die beiden Kinder vor der Heckklappe ihres neuen Autos und schauen bewundernd zu, wie die Hintertür sich automatisch schließt. Auf Knopfdruck hebt sich die Klappe wieder, das Staunen reißt nicht ab. Ja, ich finde Technik auch faszinierend, aber Kofferraumklappenmotoren gehören nicht dazu. Heben und Senken von Hand geht schneller, tut nicht weh, erspart dem Auto das Gewicht eines weiteren Elektromotors sowie eine Fehlerquelle. Aber das ist vielleicht zu einfach gedacht.
    Womit wir bei einem Grundsatzproblem des modernen Lebens wären: Normales Bewegen wie das Zuklappen einer Kofferraumhaube verschwindet aus dem Alltag, weil es als Luxus gilt, sich jeden Handgriff abnehmen zu lassen.
    Natürlich: Zentralheizung, Flugzeuge und selbst kühlende Bierfässer sind ein Triumph der Zivilisation. Aber ewiges Warten vor Aufzügen, um zwölf Stufen zu überwinden, ist keine kulturelle Leistung. Die Dienstleistungsgesellschaft hat uns aberzogen, unseren Spiel- und Experimentiertrieben zu folgen.
    Der Unsinn des Komforts erklärte sich mir früh an Eierkocher und

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