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Bewegt Euch

Bewegt Euch

Titel: Bewegt Euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hajo Schumacher
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wir. Das ist Event. Das ist Erlebnis. Über Authentizität sage ich nichts. Dann wär’s ja keine mehr.

Gib an!

    Der Pfau schreit häßlich, aber sein Geschrei /
erinnert mich ans himmlische Gefieder . /
So ist mir auch sein Schreien nicht zuwider.
    Johann Wolfgang von Goethe
    Wir alle kennen diese Studien: Meine Villa, mein Pferd, mein Bugatti machen mich nicht glücklich, jedenfalls nicht lange. Gehaltserhöhungen wirken sechs Wochen, ein Friseurbesuch nur bis zum nächsten Schauer.
    Was uns nachhaltig glücklich stimmt, ist die Anerkennung durch andere Menschen. Alle Studien über Zufriedenheit am Arbeitsplatz ergeben gleichlautend, dass Mitarbeiter sich zu selten gelobt fühlen. Wer je den Zauber der Frage »Hast du abgenommen?« spüren durfte, der weiß, dass es ein Glück oberhalb der Platincard gibt.
    Routinierte Beweger haben allerlei Techniken entwickelt, sich diese Anerkennung von ihren Mitmenschen zu holen. Das Finisher-Shirt vom Halbmarathon im Büro, leises Humpeln, das Nachfragen geradezu provoziert, papageienbunte Schuhe, die nach einem Gespräch verlangen. Wer sich bewegt, will die Welt an seinem Treiben teilhaben lassen. Ergeben rollt der Gatte die Augen zum Himmel, wenn Mutti der Kassiererin im Supermarkt vom Power-Pilates berichtet.
    Bewegen bietet zahllose Möglichkeiten hemmungslosen Angebens, eindrucksvoll etwa ist der Zeitfahrhelm für den Weg ins Büro. Sportliche Insignien fortgeschrittenen Bewegungserfolgs brüllen: »Los, frag mich!«, damit ich antworten kann: »Ja, ich bin ein Held!« Das nervt zuweilen. Aber eigentlich hat doch jeder Zuspruch verdient, der sich sozial verträglich durchs Leben bewegt. Die Verkleidung braucht ebenfalls Nachsicht. Denn Fakt ist: In rasanten Klamotten fühlt sich der Mensch einfach dynamischer. So wie wir unsere Mitmenschen mit einer Tasse warmer Suppe in der Hand gnädiger beurteilen als ohne.
    Anerkennung gilt als kostbarste Währung unserer Tage und mithin als effektivste Motivation. Manchmal muss man sie sich einfach holen. Wer in der Kantine bei einer Mittagsnudel beiläufig erwähnt, er sei vor dem Frühstück eine Runde gelaufen, der darf sich großen Sozialprestiges sicher sein. Wer sich vor den Augen von Sportsfreunden so richtig über die letzten Meter schindet, wird garantiert Schulterklopfer einheimsen. Und nichts tut der Freizeitrecke lieber, als seine erlesensten Körperteile, meist die Waden, auch kurz vor dem Gefrierpunkt noch in Dreiviertelhosen auf der Straße herumzuzeigen, frisch epiliert.
    Sollte alsbald also wieder ein Kollege im Triathlon-Leibchen über den Büroflur schleichen, dann sprechen Sie ihn an, schenken Sie ihm Bewunderung oder gar ein Kompliment. Es könnte ich sein.

Kombiniere

    Abb. k
    Als ich an anderen Joggern und Fahrradfahrern auf dem Weg zur Arbeit vorbeikam, bemerkte ich die zusammengerollten Handtücher in den Fahrradkörben. Wie großartig muss es sein, mittags das Büro zu verlassen, die Badehosen überzuziehen und schnell mal unterzutauchen. Viele Einstiegsleitern ermöglichen das Schwimmen im gesamten Hafenbecken.
    Der australische Style-Guru Tyler Brulé in einer Eloge auf Kopenhagen
    Schweren Herzens habe ich mich davon verabschiedet, Olympiasieger werden zu wollen. Der Ehrgeiz ist ein Fluch. Viele meiner Weggefährten haben sich in den Tunnel des Spitzenleistungseifers begeben, um sich dort zu verirren. Ich auch. Aber das ist vorbei. Weil ich inzwischen versuche, mehrere Vorteile zu kombinieren: Sport mit Freunden, Wandern mit der Familie, Radfahren mit Ziel und Ertrag.
    Eines meiner schönsten Kombinationserlebnisse stammt aus dem Frühjahr 2012. Es war ein typisch unentschlossener Berliner Morgen – nicht warm, nicht kalt, nicht nass, nicht trocken, ideal also, um mit dem Rad zu einem ausgedehnten Dienstfrühstück ins Café Einstein Unter den Linden zu fahren, das Außenstehende für eine geheimnisvolle politische Informationsbörse halten und Eingeweihte für das, was es ist – ein großstädtischer Hangout, mit Klatsch, Tratsch und Laufsteg.
    Der hohe Lenker, die Satteltaschen, der schwere Ledersessel – mein Holland-Rad ist eher Trecker als Zeitfahrmaschine, aber das perfekte Fahrzeug für die Großstadt. Die Torpedo-3-Gang-Schaltung reicht für die drei wichtigsten Tempi: Anfahren an der Ampel, schwungvolles Rollen, Sprint über eine fast noch gelbe Ampel.
    Die ersten zwei Kilometer meiner Strecke führen entlang viel befahrener Straßen, zwei weitere durch die kühle Einsamkeit des

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